Würzburg
23.02.2023

Neue Städtepartnerschaft mit Lwiw in der Ukraine

Würzburg hat mit der ukrainischen Stadt Lwiw offiziell eine Städtepartnerschaft geschlossen.
Zwei Männer unterschreiben eine Urkunde mit den deutschen und ukrainischen Flaggen im Hintergrund

OB Schuchardt und Bürgermeister Sadovyi unterzeichnen die Städtepartnerschaftsurkunde am 23. Februar 2023 im Lviver Ratssaal.

Am Vorabend des Jahrestags des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, am 23. Februar 2023, haben der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt und sein Lwiwer Amtskollege Andryi Sadovyi offiziell eine Städtepartnerschaft geschlossen. Schuchardt besuchte zur Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde Lwiw, auf Deutsch Lemberg, in der vom Krieg getroffenen Ukraine. Begleitet wurde er von einer kleinen städtischen Delegation.

Im März letzten Jahres hatte der Würzburger Stadtrat die Anbahnung dieser Städtepartnerschaft beschlossen. Lwiw liegt etwa 70 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt und bildet das wichtigste Oberzentrum der Westukraine mit etwa 730.000 Einwohnern. Die Julius-Maximilians-Universität Würzburg kooperiert bereits seit gut einem Jahrzehnt mit mehreren Universitäten in Lwiw. Das etwa zweieinhalb Stunden weiter nord-östlich entfernte Luzk war zweiter Besuchsort des Würzburger Stadtoberhaupts. Der Würzburger Stadtrat hatte eine Städtefreundschaft mit Luzk beschlossen und der Stadt, die etwa 217.000 Einwohner hat, im vergangenen Jahr finanzielle Unterstützung in Höhe von 100.000 Euro zukommen lassen.

Am Abend vor der Unterzeichnung der Städtepartnerschaft mit Lwiw fand ein erstes Treffen mit Bürgermeister Andryi Sadovyi statt. Bürgermeister Sadovyi berichtete Oberbürgermeister Schuchardt von der Lage in der Stadt. Allein die Stadt Lwiw hat bisher über 200 gefallene Soldaten seit Kriegsbeginn zu beklagen. Der Krieg treffe alle Teile der Gesellschaft. Die Wirtschaft stagniere; an den Universitäten fände zu einem großen Teil nur noch Distanzunterricht statt. Im Stadtbild beobachteten die Würzburger Sandsäcke an Kellerfenstern, zu Bunkern umfunktionierte öffentliche Gebäude, eingerüstete oder abgebaute historische Denkmäler, vernagelte Kirchenfenster. Gleichwohl findet Leben in der Stadt weitgehend statt. Junge Leute dominieren das Straßenbild, wenngleich viele in Uniform. Auch die Kulturszene in der Stadt blüht, wie bei einem Treffen mit dem Kulturdezernat deutlich wurde. Gerade der Kulturbereich soll ein Angelpunkt der neuen Städtepartnerschaft werden.

Lwiw wurde seit Kriegsbeginn zu einem Flüchtlingsort: Die Stadt fungierte einerseits in den letzten 12 Monaten als Hub für Millionen Flüchtende aus allen Teilen des Landes, die im Anschluss insbesondere in andere europäische Länder weiterzogen. Andererseits wurden mehrere Containerdörfer in der ganzen Stadt aus dem Boden gestampft, in denen viele zehntausende Geflüchtete insbesondere aus dem Osten und Süden des Landes heute leben. Um jungen Müttern zumindest im ersten halben Jahr der Mutterschaft ein Leben außerhalb dieser Container zu ermöglichen, hat Lwiw das Projekt "Unbroken Mothers" ins Leben gerufen: Innerhalb von drei Monaten wurden zwei Häuser in Leichtbauweise für geflüchtete Mütter mit Säuglingen gebaut. "Unbroken" ist auch das neu aufgebaute multifunktionale Rehazentrum in Lwiw. Dort können verwundete Soldaten und Zivilisten, darunter viele Kinder, Rehabilitationsmaßnahmen in Anspruch nehmen. Außerdem werden dort Prothesen für Kriegsversehrte hergestellt. Auch psychologische Unterstützung erhalten die Versehrten, damit ihnen ein Wiedereinstieg in ein geregeltes Leben ermöglicht werden kann.

Bei einem Treffen mit der Hochschulleitung der Ivan-Franko Universität Lwiw wurden die bereits bestehenden, guten Verbindungen und Partnerschaften zwischen der Würzburger Julius-Maximilians-Universität und insgesamt vier Lwiwer Universitäten hervorgehoben, unter anderem mit einem Zertifikationsstudiengang für Lemberger Wissenschaftler an der Universität Würzburg. Oberbürgermeister Schuchardt überbrachte dem Rektor der Universität, Prof. Dr. Volodymyr Melnyk, Grüße des Universitätspräsidenten Prof. Dr. Pauli sowie des ehemaligen Universitätspräsidenten Prof. Dr. Forchel. Forchel hatte die Partnerschaften 2014 angebahnt und auch jetzt eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung der Städtepartnerschaft mit Lwiw gespielt. Die Universitätskooperationen sollen nach Möglichkeit in Zukunft noch weiter ausgebaut werden.

Die Würzburger Delegation nahm in Lwiw auch an der Gedenkveranstaltung anlässlich des Kriegsausbruchs teil. Bis vor einem Jahr war der Marsove Pole, das Marsfeld, eine schlichte Wiese direkt neben dem Lemberger Hauptfriedhof. Nach dem Überfall auf die Ukraine wurde die Fläche als Ruhestätte für Gefallene aus der Stadt Lwiw gewidmet. Mittlerweile haben schon über 200 Soldaten aus der Stadt dort ihre letzte Ruhe gefunden. Auf Bitte von Sadovyi hielt Schuchardt eine kurze Ansprache an die vielen hundert Gäste. Er versicherte der Stadt Lwiw die Solidarität der Stadt Würzburg und ihrer Einwohner und machte deutlich, dass die Würzburgerinnen und Würzburger auf einen möglichst baldigen Frieden hoffen, der die Ukraine als europäisches Land am Ende auch in die Europäische Union führe.

Mitglied der Würzburger Delegation in der Ukraine war auch Tobias Winkler. Er ist mit dem von ihm gegründeten Verein "Liebe im Karton e.V." Netzwerkpartner des "Netzwerks Ziviler Krisenstab". Er besuchte mit OB Schuchardt das größte Warenverteillager in der Westukraine "Narodna Samooborora Lvivshchyny". Insgesamt koordinierte Tobias Winkler über 240 Sattelzüge mit Hilfsgütern in die Ukraine, wovon ein großer Teil in das Warenverteilzentrum in Lwiw ging, und von dort aus in die Region und den Süden und Osten des Landes verteilt wurde. Die Leiter des Zentrums dankten Winkler und dem Würzburger Oberbürgermeister für die breite Unterstützung in den vergangenen 12 Monaten.

Schließlich fuhr die kleine Delegation noch in die Stadt Luzk, mit der der Stadtrat Würzburg im vergangenen Jahr eine Städtefreundschaft beschlossen hatte. Die zweite Bürgermeisterin Iryna Chebeliuk bedankte sich als Vertreterin des erkrankten Bürgermeisters Ihor Polischtschuk für die im März/April letzten Jahres beschlossene finanzielle Unterstützung in Höhe von 100.000 Euro aus Würzburg. Dieses Geld wurde für die Versorgung von Geflüchteten aus der Ostukraine genutzt, die ein halbes Jahr damit unterstützt werden konnten. Bei einem Besuch im Medizinischen Rehabilitationszentrums für Kriegsversehrte in Luzk wurden erneut die Auswirkungen des Krieges deutlich. Das Rehabilitationszentrum betreut derzeit stationär über 30 Soldaten, weitere 200 werden ambulant versorgt. Im Gespräch mit den verwundeten Soldaten schilderten diese Oberbürgermeister Schuchardt die Grausamkeiten, die sie an der Front erlebt hatten. In der Geburtsklinik in Luzk wurden den Würzburgerinnen und Würzburger sowie dem Malteser Hilfsdienst e.V. aus Würzburg für die wichtige Unterstützung im vergangenen Jahr gedankt. Während dieses Besuchs kam es zum zweiten Mal am Tage zu einem Luftalarm, weswegen das Krankenhaus nach Möglichkeit vollständig in den Keller evakuiert wurde. Bei einer Führung durch die fast 700 Jahre alte Liubartas-Burg in Luzk wurde die auch wichtige europäische Bedeutung der Stadt und der gesamten Region deutlich. So hatte 1429 ein mehrtägiger Kongress aller wichtigen europäischen Monarchen dort stattgefunden zur Klärung der wichtigen, zeitgenössischen Herausforderungen. An diese lange, europäische Tradition soll mit weiteren Projekten auch im Rahmen der Städtefreundschaft zwischen Würzburg und Luzk angeknüpft werden.

Oberbürgermeister Christian Schuchardt kam mit emotionalen Eindrücken von der viertägigen Reise in das Kriegsland nach Würzburg zurück. Er berichtet von einer Atmosphäre, die in beiden besuchten Städten zwischen angestrebter Normalität und den schmerzhaften Auswirkungen des Kriegsalltags pendelt.

(Quelle: Stadt Würzburg)

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