Mobilitätswende
20.12.2022

"Der Verkehrssektor muss einen deutlichen Beitrag für die Klimawende liefern"

Hilmar von Lojewski, Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr beim Deutschen Städtetag, im Interview mit dem Magazin polisMOBILITY

Herr von Lojewski, der Deutsche Städtetag galt nicht unbedingt als großer Fan des 9­-Euro­-Tickets. Wie beurteilen Sie diese populäre Maßnahme heute?

Es ist richtig, dass wir anfangs nicht besonders vom 9-Euro-Ticket überzeugt waren. Und die tatsächliche Rechnung wird ja erst 2024 präsentiert – auch wenn der Bund Vollkompensation zugesagt hat. Jetzt sehen wir die Begeisterung der Fahrgäste und eine höchst willkommene Rückkehr in die Öffis. Diese Begeisterung und Motivation, mit Bussen und Bahnen zu fahren, müssen wir aufrechterhalten. Eine direkte Anschlusslösung an das 9-Euro-Ticket wäre besser gewesen. Diese Chance wurde vertan. Zudem muss die Gegenfinanzierung durch Bund und Länder stimmen, um die kommunalen Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde nicht zusätzlich zu belasten. Dabei sollten auch die Fernbusunternehmen nicht vergessen werden. Sie hatten bislang überhaupt nichts vom verbilligten Ticket – ganz im Gegenteil, sie haben Fahrgäste dadurch verloren. Und die Kommunen befürchten, dass bei einer Fokussierung auf ein solches Ticket andere, deutlich wichtigere Themen in den Hintergrund geraten könnten.

Welche wären das?

Der Verkehrssektor muss einen deutlichen Beitrag für die Klimawende liefern. Diesen ist er bislang schuldig geblieben. Dazu muss die E-Mobilität ausgebaut und der Schwerlastverkehr auf die Schiene verlagert werden. Herzstück bleibt der ÖPNV, den die Kommunen betreiben. Es geht um Ausbau, Erneuerung und Betrieb des Schienenpersonennahverkehrs in Städten und Regionen und des ÖPNV. Für eine wirksame Mobilitätswende, lebenswertere Städte und Regionen und das Einhalten der CO2-Minderungsziele müssen wir die Zahl der ÖPNV-Nutzer:innen bis 2030 verdoppeln. Wir wollen die Menschen also dauerhaft aus dem Auto holen. Das geht nur mit einer Trias an Maßnahmen. An erster Stelle stehen der Ausbau der Systeme und neue attraktive Angebote. Dafür war es zunächst erforderlich, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ordentlich auf den Weg zu bringen. Mit ordentlich ist gemeint: nicht mehr nur 330 Millionen Euro pro Jahr für alles, wie das jahrzehntelang der Fall war, sondern eine deutlich wachsende Finanzierung. Wir brauchen schlicht mehr Geld, wenn wir Systeme ausbauen wollen. Leider hatte sich der Gesetzgeber in der Vergangenheit darauf verständigt, die Mittel einzufrieren, was sogar im Grundgesetz festgelegt wurde – rund anderthalb Jahre später wurde das wieder geändert. Man hat erkannt: Ohne eine adäquate finanzielle Unterstützung der Kommunen können wir nichts erreichen. Das Thema scheint mit einer schrittweise anwachsenden Finanzierung bis 2025 auf zwei Milliarden Euro in trockenen Tüchern. Das ist schon mal eine gute Nachricht.

Zum vollständigen Interview mit Hilmar von Lojewski auf www.polis-mobility.de