Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität
Aus dem Schreiben des Deutschen Städtetages an den Bundestag:
"Wir begrüßen die Zielsetzung des Gesetzentwurfes, mit der erkannte Strafbarkeitslücken geschlossen und die effektive Strafverfolgung der dort aufgeführten Taten verbessert sowie der Eindruck eines rechtsfreien Raums im Internet weiter zurückgedrängt werden sollen. Gerade in der Öffentlichkeit stehende Personen, wie Politikerinnen und Politiker, aber auch Menschen, die sich für das Gemeinwesen einsetzen oder als Teil der öffentlichen Verwaltung den Staat repräsentieren, stehen immer wieder und mit zunehmender Tendenz im Fokus von Beleidigungen, Bedrohungen, Einschüchterungen oder sogar tätlichen Angriffen. Insoweit wird mit dem Gesetzentwurf und seinen Ergänzungen, vornehmlich den Regelungen des Strafgesetzbuches, ein wichtiges Zeichen gesetzt und gleichsam die Wehrhaftigkeit des Staates gegen derartige Taten im virtuellen Raum und in der realen Welt dokumentiert.
Besonders begrüßen möchten wir den vorgesehenen verbesserten Schutz von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern durch die Änderung des § 188 StGB (üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens). Kommunalpolitisch agierende Personen stehen in der öffentlichen Auseinandersetzung besonderes im Fokus der Aufmerksamkeit. Deshalb ist es erforderlich, diese – genau wie Landes- oder Bundespolitikerinnen und -politiker – besonders gegen üble Nachrede und Verleumdung in den Schutzbereich des § 188 StGB einzubeziehen. Der Einsatz für unsere demokratischen Strukturen muss besonders geschützt werden, bis hin zur kommunalen Ebene.
Auch die Erweiterung des Tatbestandes des § 241 StGB (Bedrohung) insoweit, dass künftig auch die Bedrohung mit einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert vom Tatbestand erfasst ist, ist sehr zu begrüßen. Diese Erweiterung stellt eine erhebliche Verbesserung insbesondere auch für kommunale Bedienstete dar, weil bisher nur die Drohung mit der Begehung eines Verbrechens tatbestandsmäßig war. Damit konnte beispielsweise die Drohung einer Körperverletzung (Vergehen), die gegenüber kommunalen Bediensteten häufig erfolgt, nicht als Bedrohung im Sinne des Gesetzes strafrechtlich geahndet werden. Gleichzeitig ist eine Verschärfung der Rechtsfolgen dergestalt vorgesehen, dass künftig die Höchststrafe für die Bedrohung mit einem Verbrechen von einem Jahr auf zwei Jahre Freiheitsstrafe angehoben werden kann.
Angesichts der vermehrt aufkommenden Angriffe in den Notaufnahmen ist die Ergänzung des § 115 StGB folgerichtig. Wir regen darüber hinaus an zu prüfen, ob nicht der strafrechtliche Schutz von Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern auch ohne Vollstreckungsaufgaben generell verbessert werden kann, z.B. durch die Aufhebung der Beschränkung in § 114 StGB auf Vollstreckungsbeamte. Auch Beschäftigte im öffentlichen Dienst ohne Vollstreckungsaufgaben arbeiten für das Gemeinwohl, die zunehmenden Angriffe aus sie dürfen nicht toleriert werden.
Schließlich halten wir die Ausweitung des § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) auf die Billigung noch nicht erfolgter Straftaten für eine wichtige Änderung, da das Aufgreifen und Befürworten von strafbaren Inhalten in sozialen Netzwerken zahlreich vorkommt und dies neben der Verbreitung dieser Inhalte letztlich auch zu einer fortschreitenden Akzeptanz solcher Äußerungen in der Bevölkerung führt. Allerdings lässt der Gesetzentwurf offen, in welcher Form diese Billigung erfolgen muss. Ist also ein einfaches "Teilen" des Inhalts bereits ein ausreichendes "Gutheißen" oder eine "Kundgabe der Zustimmung" (S. 33 der Begründung) oder muss damit eine weitere Befürwortung des weitergeleiteten Inhalts einhergehen? Eine Konkretisierung wäre aus Gründen der Rechtsklarheit und mit Blick auf die praktische Anwendbarkeit sinnvoll und wünschenswert.
Es ist im Übrigen zu befürworten, dass der Katalog der Strafzumessungsgründe in § 46 StGB ausdrücklich um "antisemitische" Beweggründe ergänzt wird. Auch wenn nach der bereits geltenden Rechtslage antisemitische Beweggründe unter die Formulierung "sonstige menschenverachtende" Beweggründe subsumiert und insoweit bei der Strafzumessung grundsätzlich strafschärfend zu berücksichtigen waren, dient die vorgesehene Ergänzung der Klarstellung. Antisemitische Motive eines Täters oder einer Täterin werden ausdrücklich als weitere Beispiele für menschenverachtende Beweggründe und Ziele genannt und werden bei der Strafzumessung besonders berücksichtigt.
Wir begrüßen grundsätzlich die Änderung des § 51 Abs. 1 Bundesmelderegistergesetz (BMG). Durch diese Änderung wird es insbesondere Personen, die durch ihr berufliches oder ehrenamtliches Engagement in den Fokus gewaltbereiter Personen oder Gruppen geraten sind, erleichtert, eine Auskunftssperre zu erwirken. Diese Auskunftssperre nach § 51 BMG verhindert die Erteilung einer einfachen Melderegisterauskunft, wenn dadurch eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnlich schutzwürdige Interessen für die nachgefragte Person erwachsen würde. Notwendig für die Einrichtung einer Auskunftssperre ist daher der Nachweis der individuellen und konkreten Gefährdung einer Person. Auf eine subjektive Einschätzung der Person, ob sie zu einem Personenkreis gehört, der sich besonderen Anfeindungen ausgesetzt sieht, kann es dabei nicht ankommen. Möglicherweise wäre es klarer, wenn stattdessen formuliert würde, dass der Personenkreis in verstärktem Maße Anfeindungen oder sonstigen Angriffen ausgesetzt ist.
Der Gesetzentwurf sorgt für einen wesentlich verbesserten Schutz der Betroffenen. Er deckt sich auch überwiegend mit den Erwartungen und Forderungen der Beschlussgremien des Deutschen Städtetages.
Weitergehende Erfordernisse
Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass die beabsichtigten Änderungen im Strafgesetzbuch für sich allein als Mittel der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität nicht ausreichend sind. Eine effiziente Strafverfolgung kann nur im Rahmen von damit einhergehenden personell und technisch hinreichend ausgestatteten Strafverfolgungsbehörden gewährleistet werden. Angesichts der in der Bundesrepublik seit Jahren personell überlasteten Polizei- und Justizbehörden darf dieser Gesichtspunkt ungeachtet der Zuständigkeiten der Länder nicht vergessen werden. Zudem ist eine konsequente Verfolgung der Straftaten durch die Staatsanwaltschaften dringend geboten. Schwerpunktstaatsanwaltschaften, wie sie in einigen Bundesländern eingerichtet worden sind, können hier helfen. Ebenso sind Richtlinien hilfreich, in denen die Einstellung von Ermittlungsverfahren wegen Geringfügigkeit bei Attacken und Übergriffen gegen Amtsträger, Rettungssanitäter, Polizisten und Hilfeleistende an weitere Kriterien geknüpft wird. Das öffentliche Interesse an Strafverfolgung sollte unabhängig von der Qualifikation einer Straftat als Vergehen gerade bei Straftaten gegen öffentliche Bedienstete und Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger nicht verneint werden.
Schließlich regen wir an, in § 46 Abs. 2 StGB bezüglich der Strafzumessungsgründe eine Erweiterung um "frauenverachtende" Beweggründe vorzunehmen. Rechtsextremismus und Hasskriminalität haben auch eine besondere Genderrelevanz."