Es ist höchste Zeit. Der Schutz von Kultur im Krisenfall und vor Katastrophen

Während meines Sommerurlaubs im vergangenen Jahr habe ich einen ganzen Nachmittag im Stadtmuseum Bad Tölz verbracht, nicht etwa, weil das Wetter ungemütlich war, sondern weil ich mich einfach nicht losreißen konnte. Knapp 2.000 sorgfältig ausgewählte Objekte bieten einen facettenreichen Einblick in das immaterielle und materielle Kulturerbe der Stadt sowie ihre Geschichte, beginnend mit den frühesten archäologischen Zeugnissen – eine Geschichte, die als Geschichte des Orts immer auch Teil der Landes- und Weltgeschichte war. Selten habe ich in kurzer Zeit so viel Neues auf so einnehmende Art lernen dürfen.
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Bad Tölz
Das Tölzer Stadtmuseum steht exemplarisch für die Vielfalt und den Reichtum der kulturellen Überlieferung in Deutschland, für deren Aufbewahrung, Pflege und Vermittlung gerade auch Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft zuständig sind. Kommunale Museen, Archive und Bibliotheken haben die große Verantwortung, Geschichten zu erzählen, die lokal und regional verankert sind und in einem föderalen Staatsgefüge damit immer auch konstitutiv für das historische und kulturelle Selbstverständnis des Landes und seiner Menschen insgesamt. Mit anderen Worten: Vor allem Museen, Archive und Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft erinnern an das Wirken von Menschen und Gemeinschaften, die die Gegenwart vor Ort prägen und damit das Fundament für die Zukunft der Regionen in unserem Land legen.
Angesichts dieser grundlegenden, gesamtgesellschaftlichen Bedeutung von Kulturgut in der Obhut kommunaler Einrichtungen stellt sich unweigerlich die Frage nach dessen Sicherheit gerade in Zeiten, in denen die Resilienz unserer Gesellschaft insbesondere durch die angespannte Wirtschaftslage, die Folgen des Klimawandels sowie den Krieg in der Ukraine und seine Folgen für die europäische Sicherheitsarchitektur auf eine harte Probe gestellt wird. Sind kommunale Kultureinrichtungen angemessen auf Krisen und Katastrophen vorbereitet? Gibt es Notfallkonzepte, Evakuierungspläne und Bergungsorte? Ist festgelegt, wer im Notfall Hilfe leistet und wer die Notfallmaßnahmen vor Ort koordiniert? Werden solche Notfallmaßnahmen auch eingeübt?
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Bad Tölz
Manchmal befürchte ich, dass unsere Gesellschaft nach 80 Jahren in Frieden und Wohlstand vergessen hat, was bewaffnete Konflikte und soziale Unruhen im eigenen Land bedeuten und wie aufreibend es ist, diesen existenziellen Herausforderungen mit prekären Ressourcen und unzulänglichen Instrumenten begegnen zu müssen. Wenn wir überzeugt davon sind, dass Kultur ein unverzichtbarer Bestandteil unseres gesellschaftlichen Miteinanders ist und unseren Zusammenhalt ebenso wie unsere Widerstandskraft gerade auch in Krisenzeiten stärken kann, dann ist jetzt jede Lethargie fehl am Platz. Wir müssen handeln, es ist höchste Zeit!
In seinem Positionspapier "Effektiver Bevölkerungsschutz, mehr Krisenprävention und Resilienz" vom 6. Juni 2024 hat der Deutsche Städtetag zehn Aufgaben eines zukunftsfähigen Bevölkerungsschutzes benannt, die unmittelbar relevant auch für den Schutz von Kulturgut und kulturellen Infrastrukturen sind, selbst wenn dieser im Rahmen des übergreifenden Bevölkerungsschutzes nicht prioritär gegenüber dem Schutz von Menschenleben oder der medizinischen Versorgung sein kann. Dazu zählen ein integriertes Vorsorge-, Krisen- und Risikomanagement, die Steigerung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung, die Zusammenarbeit in Krisenlagen, konsequente Digitalisierung sowie der Ausbau von Schulungs- und Übungsangeboten. Spezifische Unterstützungs- und Vernetzungsangebote für Kultureinrichtungen bietet außerdem das Portal „Notfallallianz Kultur“ (www.notfallallianz-kultur.de), das von einem gesamtgesellschaftlichen Bündnis für Kultur in Krisen und Notfällen getragen wird, zu dem auch der Deutsche Städtetag zählt.
Entscheidend wird sein, dass zukünftige Maßnahmen des Bevölkerungsschutzes immer auch die Resilienz des Kultursektors im Blick behalten. Das sind wir dem schier unermesslichen Reichtum unseres kulturellen Erbes und zukünftigen Generationen schuldig.
Mehr zur "Notfallallianz Kultur":
www.staedtetag.de/25212
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Michael Buchmann
Prof. Dr. Markus Hilgert
Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder