Mietbelastungen stoppen, Spekulationen verhindern
Explodierende Mieten, ein massiver Mangel an Sozialwohnungen und die Herausforderungen der Klimapolitik im Wohnsektor – der Wohnungsmarkt in Deutschland steht vor enormen Problemen, will man bezahlbares Wohnen für Millionen Menschen sichern. Wir haben dazu Lukas Siebenkorten, Präsident des Deutschen Mieterbundes befragt.
Städtetag aktuell: Was ist nötig, um rasant steigende Mieten zu begrenzen, und wie bewerten Sie den aktuellen Gesetzentwurf zur Verlängerung der Mietpreisbremse?
Lukas Siebenkotten: Leider hat die Ampelkoalition so lange über die im Koalitionsvertrag vereinbarte Verlängerung der Mietpreisbremse intern gestritten, dass die Regierung zerbrochen ist, bevor der zwischenzeitlich mit Mühe erstellte Referentenentwurf im Bundeskabinett oder gar im Fachausschuss beraten werden konnte. Der zuständige Bundesjustizminister Buschmann (FDP) hat es tatsächlich geschafft, das Gesetzgebungsverfahren so lange zu verschleppen, dass es jetzt der zu erwartenden Neuwahl des Bundestages zum Opfer fällt, wenn sich nicht im letzten Moment eine Bundestagsmehrheit dafür findet, das Gesetz doch noch zu verabschieden.
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen führt kein vernünftiger Weg daran vorbei, die Verlängerung der Mietpreisbremse noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Unter den Schutzschirm der Mietpreisbremse vor unzulässig hohen Mieten fallen derzeit 30 Prozent der Gesamtbevölkerung – etwa 26 Millionen Menschen – in 13 von 16 Bundesländern. Diese Menschen ab 2026 dem freien Markt mit - zumindest auf angespannten Mietmärkten - oftmals ungezügelten Mietpreissteigerungen bei der Neuanmietung einer Wohnung auszusetzen, wäre in höchsten Maße unsozial.
Bei einem Ende der Mietpreisbremse drohen unkalkulierbare Folgen für die angespannten Wohnungsmärkte in vielen Städten Deutschlands.
Bei einem Abschluss neuer Mieterverträge existieren dann keinerlei Beschränkungen zur Miethöhe, da auch die Mietwuchervorschrift, mit der theoretisch gegen unangemessen hohe Mieten vorgegangen werden kann, in der Praxis aufgrund bürokratischer Hürden kaum Anwendung findet. Bereits jetzt sind Mieter und Mieterinnen beim Abschluss neuer Mietverträge der extrem angespannten Marktsituation besonders ausgesetzt. In München beispielsweise müssen Mieterinnen und Mieter mittlerweile knapp 21 Euro berappen, wenn sie eine neue Wohnung anmieten, in anderen Großstädten sieht es nicht viel besser aus – hier werden Mieten von 16 bis 17 Euro pro Quadratmeter aufgerufen. Das sind Mieten, die sich kein Normalverdiener mehr leisten kann. Der Gesetzgeber muss handeln und jetzt für eine Fortführung der Deckelung der Mieten sorgen!
Städtetag aktuell: Welche Schritte braucht es konkret, um den akuten Mangel von über 900.000 Sozialwohnungen in Deutschland zu beheben?
Lukas Siebenkotten: Die Ampelregierung ist mit ihrem Vorhaben, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, 100.000 davon öffentlich gefördert, gescheitert. Von den 2023 knapp 300.000 neu gebauten Wohnungen sind weniger als ein Drittel klassische Mietwohnungen und weniger als ein Zehntel bezahlbare Sozialwohnungen. Der Bestand an Sozialwohnungen ist seit Jahren dramatisch rückläufig und hat sich seit 2006 auf nur noch 1 Million Wohnungen halbiert. Gerade der Neubau von Wohnungen ist ein entscheidender Schlüssel zur Entspannung des Wohnungsmarktes. Der Wohnungsneubau stagniert aber seit Jahren und schafft keine Entlastung für die extrem angespannten städtischen Wohnungsmärkte. Die Folgen der verfehlten Wohnungspolitik zumindest des letzten Jahrzehnts lassen sich nicht mehr kaschieren. Die Wohnungsmarktkrise gewinnt weiter an Dynamik: hohe Mietbelastungen vor allem für Rentnerinnen und Rentner, Auszubildende und Studierende sowie Alleinerziehende, immer weiter steigende Immobilienpreise, kaum Neubau und keine Besserung in Sicht. Es fehlen hunderttausende bezahlbare Wohnungen im Land.
Die verbleibende Bundesregierung und die Fraktionen im Deutschen Bundestag müssen endlich Maßnahmen einleiten, die zu mehr Neubau führen, um so auch sozialpolitisch ein wichtiges Signal zu senden.
Notwendig sind jetzt schnelle und umfassende Lösungen, mit denen die hohen Mietbelastungen gestoppt, Spekulationen von großen Investoren mit Grund und Boden verhindert und der Neubau von Wohnungen deutlich gesteigert werden kann. Wir brauchen mehr staatliches Engagement und umfassende öffentliche Förderung auf den Wohnungsmärkten sowie die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit, bei der sich Bauherren im Gegenzug für Steuererleichterungen und Investitionszuschüsse verpflichten, im bezahlbaren Segment zu bauen und die Mieten auch dauerhaft bezahlbar zu halten.
Städtetag aktuell: Wie können wir die Klimaziele erreichen ohne Wohnen dabei noch deutlich teurer zu machen?
Lukas Siebenkotten: Damit der unstreitig dringend benötigte Klimaschutz in Mietwohnungen vorankommt und sozial gerecht gelingt, müssen die notwendigen Investitionen besser zwischen drei Akteuren verteilt werden: öffentliche Hand, Vermietende und Mieterinnen und Mieter. Mieterinnen und Mieter sollen im Endeffekt nicht mehr bezahlen müssen, als sie an Energiekosten einsparen. Dafür muss die sogenannte Modernisierungsumlage, also der Anteil der Investitionen, der auf die Mietenden umgelegt wird, von derzeit maximal 10 Prozent auf 3 Prozent abgesenkt werden. Damit die energetische Sanierung auch für die Vermieterseite leistbar ist, muss die öffentliche Hand mehr und zielgenauer fördern.
Lukas Siebenkotten,
Präsident des Deutschen Mieterbundes