Städtetag aktuell 5|2024
12.12.2024

Bodenpolitik im Gemeinwohlinteresse: Das Hamburger Baulandmodell

Ein Beitrag von Monika Thomas, Staatsrätin Freie und Hansestadt Hamburg

In Hamburgs Pergolenviertel sind auf einer Fläche von 27 Hektar rund 1.700 Wohneinheiten entstanden. Neben klassischen Miet- und Eigentumswohnungen gibt es Wohnangebote für Studierende sowie mehrere Pflege- und Assistenz-Wohngemeinschaften. 60 Prozent der Wohnungen sind öffentlich gefördert.

Die Bedeutung einer gemeinwohl­orientierten Bodenpolitik

Boden ist eine endliche Ressource. Ideell und wohl auch faktisch ist Bodenbesitz für viele mit einer hohen Bedeutung als Freiheits- und Sicherheitsgarant versehen. Gleichzeitig formuliert das Grundgesetz die Sozialpflichtigkeit des Eigentums als Maßstab für seine Verwertung. Gerade im Kontext von Bodenpolitik ist diese Verpflichtung immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen, insbesondere, wenn hinter einem Ertrag aus Bodenbesitz keine Leistungserbringung steht. Die Frage, wie Bodenwertsteigerungen gerecht verteilt und gemeinwohlorientiert genutzt werden können, oder ob Boden sogar nur genutzt und nicht besessen werden darf, bleibt eine politische Herausforderung. Eine Bodenpolitik im Gemeinwohlinteresse muss die Balance finden zwischen den privaten Rechten der Eigentümer und deren Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.

Aktive Liegenschaftspolitik bei zunehmender Konkurrenz der Flächenansprüche

Für die Kommunen spielt die Steuerung der Bodennutzung eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung einer nachhaltigen und sozial orientierten Stadtentwicklung. Durch kluge Liegenschaftspolitik können Kommunen Weichen für eine gerechtere und zukunftsfähige Stadt setzen. Doch erst ein Zugriff auf Flächen garantiert eine Umsetzung.

Die Ressource Boden steht zudem immer mehr unter dem Druck verschiedener und wachsender Nutzungsansprüche. Während bezahlbarer Wohnraum und soziale Infrastruktur vielerorts dringend benötigt werden, steigen auch die Flächenbedarfe durch Klimaschutz, Erhalt der Biodiversität, Flächenbedarf für erneuerbare Energien, Risikovorsorge für Naturkatastrophen wie auch Sicherung der Ernährung. Nicht allein die Bebauung macht den Expansionsfaktor aus. Die Pandemie und kritische Situationen weisen zudem auf möglichst regionale Versorgungslösungen hin. All diese Ansprüche machen manche Planer:innen schwindelig bei dem Versuch, sie alle geordnet unterzubringen.

Städte, wie zum Beispiel Hamburg, setzen diese Konkurrenz in ambitionierten Zielsetzungen um: mindestens 10 Prozent der Fläche für Naturschutzgebiete, 2,5 Prozent für Windenergie, immer 100 Hektar Angebotsfläche für die Industrie, möglichst 10.000 neue Wohnungen pro Jahr usw. Flächen werden sozusagen kontingentiert.

  • Gesellschaftlichen Zusammenhalt durch soziale Bodenpolitik und bezahlbaren Wohnraum fördern. In den großen Stadtentwicklungsgebieten sieht Hamburg 20 Prozent der Flächen für Baugemeinschaften vor.

Hamburgs Ansätze für eine sozial gerechte Bodenpolitik

Hamburg hat in den vergangenen Jahren wegweisende Schritte unternommen, um den Umgang mit der Ressource Boden sozial gerechter und nachhaltiger zu gestalten.

Ein Beschluss zur sozialgerechten Bodenpolitik für Hamburg (2019) und die Ergebnisse aus den Verhandlungen mit den Volksinitiativen "Boden und Mieten" (2022) markieren wichtige Weichenstellungen. Die Stadt setzt zunehmend auf Erbbaurechte, um langfristig die Nutzung von Boden zu steuern.

Diese sozial gerechte Nutzung des Bodens wird über die konsequente Anwendung relevanter Steuerungsinstrumente gefördert. Hamburg gehört zu den Vorreitern bei der Einführung von Konzeptvergaben. Qualität und der gesellschaftliche Mehrwert eines Projekts haben hier Vorrang vor dem Höchstpreis. In städtebaulichen Verträgen wird der im Rahmen des Hamburger Drittelmixes umzusetzende Anteil geförderter Wohnungen fest vereinbart. Beides sind Bausteine des Hamburger Baulandmodells, wie viele weitere Vereinbarungen, die gemeinsam mit dem Bündnis für das Wohnen und den Bezirken geschlossen wurden.

Aktive sozialgerechte Bodenpolitik verpflichtet mithin zum sorgsamen Umgang mit dem Boden und setzt eine Priorität auf die Transformation der Stadt. Mit der Strategie "Mehr Stadt in der Stadt" priorisiert Hamburg die innerstädtische Entwicklung, bevor neue Flächen auf der grünen Wiese erschlossen werden. Projekte wie das "Hamburger Maß" und das "Magistralenkonzept" stehen für urbanes Wachstum in bestehenden Strukturen.

Und selbstverständlich hat der Boden eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel. Bodenpolitik hat ihren Beitrag für die Senkung der CO₂-Bilanz zu liefern.

Boden als Gemeingut behandeln

Die Bodenfrage ist eine der aktuell zentralen sozialen und ökologischen Herausforderungen. Es braucht einen politischen Rahmen, der die Bodenpolitik finanziell und rechtlich stärkt: von Vorkaufsrechten und Baugeboten über Ausgleichsbeträge bei Bodenwertsteigerungen bis hin zur Stärkung von Erbbaurechten. Dafür sind stabile Regelungen im Haushalts- und Steuerrecht und im BauGB erforderlich. Viele Fachinteressen greifen auf den Boden zu, bestimmen ihren Bedarfsanteil. Aber die Instrumente, mit denen sich diese Ansprüche umsetzen und gerecht verteilen lassen, stehen hintenan. Ein klarer Fokus auf Gemeinwohl und ökologische Transformation ist essenziell. Hamburg zeigt vielversprechende Ansätze, doch ohne bundesweite Unterstützung bleibt die gemeinwohlorientierte Bodenpolitik begrenzt. Fehlende Steuerung in der Bodenpolitik geht zu Lasten sozialer und gesellschaftlicher Belange und wird zu einer weiteren Spaltung in der Gesellschaft beitragen. Boden ist mehr als eine Ware – er ist ein Gemeingut, das Fürsorge und klare Regeln benötigt.

Monika Thomas,
Staatsrätin Freie und Hansestadt 
Hamburg

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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 5|2024, Schwerpunkt Wohnen

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