Städtetag aktuell 4|2024
10.10.2024

Der Europäische Green Deal gelingt nur mit Städten und Gemeinden

Wolfram Leibe, Oberbürgermeister der Stadt Trier, Mitglied im Europäischen Ausschuss der Regionen

Vor einer Wärmedämmung von Gebäuden steht oftmals die Suche nach Wärmeverlusten etwa mit Thermografie-Aufnahmen

Im vergangenen Juni war es wieder soweit: Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union waren zur Wahl des Europäischen Parlaments aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei 51 Prozent und damit auf dem höchsten Wert seit mehr als 20 Jahren.

Die Abgeordneten des EU-Parlaments haben, gemeinsam mit den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten, neue Gesetze zu gestalten und zu beschließen. Die Mitglieder des EU-Parlaments spielen auch eine wichtige Rolle bei der Wahl der Präsidentin oder des Präsidenten der Europäischen Kommission. Die Abgeordneten wählten mehrheitlich Ursula von der Leyen, die im Juli ihr zweites Mandat als Kommissionspräsidentin antrat. Die Ergebnisse dieser Wahlen in Brüssel, zum EU-Parlament wie auch zur Kommission, entfalten schneller und konkreter Wirkung auf der kommunalen Ebene als viele annehmen.

16 Prozent der Nicht­ wohngebäude müssen bis 2030 energetisch saniert werden. Um dieses Ziel erreichen zu können, bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung der Quartiere, nicht nur einzelner Gebäude.

Die Kommissionspräsidentin ergriff umgehend die Initiative, um die Weiterführung und Weiterentwicklung des Europäischen Green Deals, ihrem Leuchtturmprojekt des ersten Mandats, anzukündigen. Der Green Deal betrifft sämtliche Wirtschaftszweige, beispielsweise die Sektoren Verkehr, Energie, Landwirtschaft und auch Industrie. Ein weiterer, gewichtiger Baustein des europäischen Klimaschutzes ist der Bereich der Gebäude. Gemäß den Angaben der Europäischen Kommission ist der Gebäudebestand in Europa für 40 Prozent des Energieausstoßes und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Zu den entsprechenden Maßnahmen der Europäischen Union gehört unter anderem die EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie. Diese enthält das neue Regelwerk für die Mitgliedsstaaten zur Verringerung der Emissionen und des Energieverbrauchs von Gebäuden. Die Richtlinie wurde im April schon vom EU-Parlament beschlossen und muss von den Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Von der Einführung einer Sanierungspflicht für jedes einzelne private Gebäude wurde, nachvollziehbarerweise, abgesehen.

Eine gewaltige Aufgabe

Die Aufgabe für die öffentliche Hand dagegen ist gewaltig: 16 Prozent der Nichtwohngebäude müssen bis 2030 energetisch saniert werden. Um dieses Ziel erreichen zu können, bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung der Quartiere, nicht nur einzelner Gebäude. Der Rahmen der EU-Richtlinie lässt dies zu, der Bundesgesetzgeber sollte es im Rahmen der nationalen Umsetzung jedoch noch deutlicher herausarbeiten. Die Herausforderungen der Steigerung der Energieeffizienz und der verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien sind eng miteinander verwoben. Der Einsatz erneuerbarer Energieträger ist zumeist auf ganze Viertel ausgelegt. Einen solchen Ansatz verfolgen auch die derzeit laufenden Arbeiten zur Erstellung kommunaler Wärmepläne. In Trier werden wir den Wärmeplan im März 2025 vorlegen und damit ein Jahr früher als im Wärmeplanungsgesetz des Bundes verlangt.

Städte und Kommunen sind die Vorreiter

Parallel dazu nehmen wir die energetische Sanierung unserer öffentlichen Gebäude und Liegenschaften in Angriff. Wir haben kürzlich damit begonnen, unsere Gebäude mit funkbasierten elektronischen Thermostaten auszustatten, um den entsprechenden Energieverbrauch zu reduzieren. Wir werden sukzessive 46 kommunale Gebäude in puncto Energieeffizienz stärken. Mit den im nächsten Jahr vorliegenden Ergebnissen des kommunalen Wärmeplans und den öffentlichen Gebäuden als möglichen Ankerpunkten werden wir die Weichen für die nachhaltige Wärmeversorgung in den Trierer Quartieren stellen. Meine Kolleginnen und Kollegen in allen Teilen der Bundesrepublik werden diese Themen ebenfalls vorantreiben. Diese Vorreiterrolle der Städte und Kommunen muss die Bundesregierung in Berlin bei der Umsetzung der EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie berücksichtigen. Nur so wird der Europäische Green Deal für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort als Erfolgsgeschichte sichtbar.

Wolfram Leibe, 
Oberbürgermeister der Stadt Trier, Mitglied im Europäischen Ausschuss der Regionen

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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 4|2024, Schwerpunkt Europa

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