Städtetag aktuell 3|2024
20.06.2024

Das neue Bundes-Klimaanpassungsgesetz: ein richtiger Schritt für eine große Aufgabe

Alice Balbo, Referentin des Deutschen Städtetages

Die dramatischen Hochwasserlagen im Saarland und in Süddeutschland sind die jüngsten Beispiele der immer stärkeren Folgen des Klimawandels. Dass wir uns anpassen müssen, ist auch mit Blick auf die Folgekosten keine Frage mehr des Ob. Mit dem ersten bundesweiten Klima­anpassungsgesetz hat die Bundesregierung einen strategischen Rahmen geschaffen. Das Gesetz tritt am 1. Juli 2024 in Kraft.

Lange Zeit stand die Klimaanpassung im Schatten des Klimaschutzes. Mit dem Klimaanpassungsgesetz gibt es nun mehr Verbindlichkeit. So verpflichtet sich die Bundesregierung, eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen bis Ende September 2025 vorzulegen. Auch Schadenssummen durch Wetterextreme soll der Bund regelmäßig erheben lassen. Zudem werden die Länder beauftragt, eigene vorsorgende Klimaanpassungsstrategien bis Ende Januar 2027 vorzulegen.

 

  • Seit Mai 2023 gilt in Frankfurt am Main die "Gestaltungssatzung Freiraum und Klima". Sie ermöglicht immer mehr Grün statt gepflasterter Wüste. Auf dem Paul-­Arnsberg-­Platz stehen seit Sommer letzten Jahres 30 Bäume, eine berankte Pergola, umgeben von

    Beeten und einer Wildblumenwiese.

Was kommt auf die Kommunen zu?

Das Klimaanpassungsgesetz sieht die Verpflichtung vor, kommunale Klimaanpassungskonzepte zu erstellen. Der Weg muss über die Bundesländer gehen: Sie werden bestimmen, welche Städte, Gemeinden und Kreise ein Klimaanpassungskonzept– soweit nicht vorhanden – aufzustellen haben, sodass es insgesamt flächendeckend entsprechende Pläne gibt. Die Länder sollen auch die wesentlichen Inhalte der Klimaanpassungskonzepte bestimmen, etwa eine eventuelle Beteiligung der Öffentlichkeit. Eine Frist zur Aufstellung von Klimaanpassungsplänen gibt es nicht. Das war auch ein Anliegen des Deutschen Städtetages im Gesetzesverfahren.

Zudem werden Kommunen als Träger öffentlicher Aufgaben ab dem kommenden Jahr das Ziel der Klimaanpassung bei ihren Planungen und Entscheidungen berücksichtigen müssen. Als eine zentrale Anpassungsmaßnahme benennt das Gesetz ein Entsiegelungsgebot. Damit wird angeregt, nach Möglichkeit Böden wiederherzustellen und zu entsiegeln. Das Gebot bedarf aus Sicht des Deutschen Städtetages einer konkreten Verzahnung mit der bevorstehenden Novelle des Baugesetzbuchs.

Es geht in die richtige Richtung

Das Gesetz ist ein wichtiges Signal. Kritisch ist jedoch das Thema Finanzierung. Aktuell wird eine neue Gemeinschaftsaufgabe Klimaanpassung im Auftrag des Bundesumweltministeriums geprüft. Damit würden sich Bund, Länder und Kommunen gemeinsam an einer Mischfinanzierung der Klimaanpassung beteiligen. Aus Sicht des Deutschen Städtetages ist eine Gemeinschaftsaufgabe Klimaanpassung wenn überhaupt nur mit einem festen Budget für Kommunen denkbar, statt mit befristeten Förderprogrammen.

Finanzierungsfragen müssen zwingend geklärt werden

Zusätzlich fordern die Länder vom Bund, die Förderrichtlinie des Bundes zum Thema fortzuführen und die Kosten für die Erstellung von kommunalen Klimaanpassungskonzepten auszugleichen. Hierzu gibt es noch keine Einigung. Viele Länder warten nun ab, bevor sie selbst über konnexitätsrelevante Landesgesetze kommunale Klimaanpassungskonzepte verpflichtend einführen. Ein ähnliches Taktieren war beim Wärmeplanungsgesetz erkennbar.

Die Städte erwarten für die Erstellung und Fortschreibung von verpflichtenden Klimaanpassungskonzepten eine aufgabengerechte Kostenerstattung nach dem Konnexitätsprinzip. Vor allem muss dringend eine Lösung für die langfristige Finanzierung von kommunalen Klimaanpassungsmaßnahmen gefunden werden. Denn viele Städte setzen bereits diese Maßnahmen um. Die notwendigen Investitionen sind enorm. Die Umweltministerkonferenz hat einen Bedarf von etwa 55 Milliarden Euro und knapp 16.000 Personalstellen bis 2030 in den Ländern und Kommunen genannt.

Fazit

Der Klimawandel ist mehr und mehr spürbar, gerade in unseren Städten. Wir brauchen dringend den Schulterschluss mit Bund und Ländern, aber auch mit allen hier verantwortlichen Akteuren, um die gesamtgesellschaftliche Aufgabe Klimaanpassung erfolgreich anzupacken.

Wiederherstellung der Natur

Neben dem Klimawandel ist das fortschreitende Artensterben die zentrale ökologische Krise dieser Zeit. Klima- und Biodiversitätskrise bedingen sich gegenseitig und können nur zusammen gelöst werden. Der Wiederherstellung der Natur kommt hierbei, auch im Hinblick auf das Stadtgrün, eine wichtige Bedeutung zu. Ende 2022 wurde auf der Weltnaturkonferenz in Montreal mit dem „Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“ eine neue globale Vereinbarung zur Umsetzung der UN-Biodiversitätskonvention geschlossen. Das neue Abkommen sieht unter anderem vor, mindestens 30 Prozent der geschädigten Land- und Meeresökosysteme bis 2030 wiederherzustellen. In Europa sollen die Ziele durch die geplante EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur umgesetzt werden. Diese sieht auch Ziele für das Stadtgrün vor. Die Minimierung von städtischen Grünflächen soll verhindert werden; sie sollen vielmehr auf ein ausreichendes Niveau ausgeweitet werden. Die Verabschiedung der Verordnung wäre ein wichtiges Signal. Auf nationaler Ebene wird natürlicher Klimaschutz mit einem gleichnamigen Aktionsprogramm zusammen mit Klimaanpassung und Biodiversität gedacht. Dies spiegelt sich auch in der Fördersystematik wider.

Von Inga Melchior, Deutscher Städtetag

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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 3|2024, Schwerpunkt Klimaanpassung

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