Städtetag aktuell 2|2024
04.04.2024

Die Dresdner Forderungen: Der Weg in die Verwaltung von morgen

Sabine Möwes, Stadt Köln, und Dr. Uda Bastians, Deutscher Städtetag

Die Diagnose ist nicht neu – schon 1994 erschien  "Der überforderte Staat" von Thomas Ellwein und Joachim J. Hesse. Es war die besorgte Erkenntnis, dass "der Staat" sowohl an Akzeptanz als auch an Handlungsfähigkeit verliert. Heute kommen noch multiple Krisen, der demografische Wandel, haushalterische Herausforderungen und ein überkomplexes Regelungssystem hinzu. Umso dringender ist es, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und damit der Basis unseres demokratischen Gemeinwesens sicherzustellen. Einen wichtigen Beitrag kann die Digitalisierung leisten.

Funktionsfähigkeit der Verwaltung nicht gesichert

Wie ist die Diagnose vor Ort? Es herrscht Arbeits- und Fachkräftemangel. Viele Gesetze, die in den Städten ausgeführt werden, sind nicht praxistauglich. Die Bürokratie ufert aus. Bund und Länder weisen den Kommunen immer neue Aufgaben zu. Mit den Folgen kämpfen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort: Bei der Kinderbetreuung fehlen Fachkräfte. Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern sehr lange. Bürgerinnen und Bürger müssen lange warten, wenn sie Leistungen der Bürger-, Sozial-, oder Einbürgerungsbehörden in Anspruch nehmen wollen, z.B. eine Wohnung anmelden. Der Frust richtet sich gegen die Kommunen.

"Es gibt jetzt die Chance, die Verwaltung mithilfe der Digitalisierung neu zu denken."

Auch die Verwaltungen spüren die Aufgabenlast. Die regulatorischen Belastungen wirken als Verstärker. In der Konsequenz ist das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit der bürgernächsten Ebene, ihrer Stadt, gefährdet. Ein über Jahrzehnte entwickeltes Verwaltungssystem mit einst sinnvollen Strukturen und Prozessen passt nicht mehr zu den Bedarfen und technischen Möglichkeiten.

Es gibt jetzt die Chance, die Verwaltung mithilfe der Digitalisierung neu zu denken. Abläufe und Verfahren in der Verwaltung müssen von Grund neu aufgestellt und die Umsetzung ins Digitale bei der Gesetzgebung mit verankert werden.

Die Dresdner Forderungen zur digitalen Verwaltung von morgen

Hier setzen die Dresdner Forderungen an. Ihr Ansatz leuchtet unmittelbar ein: Heute kümmert sich jede einzelne Kommune individuell um organisatorische und IT-Prozesse, die sie zur Abwicklung von Verwaltungsverfahren braucht – und zwar nicht nur für die eigentlichen kommunalen Aufgaben, sondern auch um die Prozesse für übertragene, zentral geregelte Bundes- oder Landesaufgaben, z.B. im Meldewesen oder beim Wohngeld. So müssen z.B. Ausweisdokumente bei der Kommune beantragt werden – eine Bundesleistung, die in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, lange vor der Digitalisierung, wegen der Ortsnähe zu den Bürgerinnen und Bürgern den Kommunen übertragen wurde – und seither in jeder Kommune identisch und ohne eigene Handlungsspielräume erbracht wird. Die Energie, die jede einzelne Stadt dabei investiert, fehlt für die ortbezogenen Aufgaben – die kommunalen Kernkompetenzen, z.B. in den Bereichen Soziales, Kultur, Umwelt und Bildung.

Eine erste große Verbesserung wäre es daher, wenn die Definition der Prozesse und die IT für zentrale Aufgaben auch als zentrale Angebote von Bund oder Land bereitgestellt würden. Dann müsste nicht jede einzelne Kommune Software ausschreiben, beschaffen, einführen und betreiben, sondern könnte sich um ihre ureigensten Gestaltungsaufgaben und die Beratung vor Ort kümmern. Auf längere Sicht sollte auch diskutiert werden, ob digitalisierbare Weisungsaufgaben ohne kommunale Gestaltungsspielräume an Bund und Länder zurückgegeben werden könnten.

Der Weg in die digitale Verwaltung von morgen

Wir brauchen standardisierte und medienbruchfreie Verwaltungsprozesse vom Antrag bis zum Bescheid. Dafür müssen Prozesse, Daten und Identifikation schon im Gesetzgebungsverfahren integriert werden. Nur so kann die Verwaltung anlassbezogen statt antragsgetrieben arbeiten: Ob die Geburt eines Kindes oder das Eintreten von Hilfebedürftigkeit – Beratung und Unterstützung müssen im Mittelpunkt der Arbeit der Kommunen stehen, nicht das Managen von Formularen. Bund und Länder müssen klassische Bürgerservicezuständigkeiten zentral und digital anbieten. Kommunen können so auch über Shared Services nachdenken und sind und bleiben Lotsen und Unterstützerinnen für die Menschen vor Ort.

Die Städte arbeiten derzeit daran, die Dresdner Forderungen zu konkretisieren und schrittweise durchzusetzen. Zur weiteren Schärfung der Dresdner Forderungen gehört u.a., Rollen im föderalen System zu etablieren, eine föderale IT-Architektur, Zusammenarbeitsstrukturen zwischen Kommunen und IT-Dienstleistern und die Stärkung von digitaler Souveränität und Open Source. In der Praxis werden derzeit Verwaltungsprozesse und -vorgänge identifiziert, die als Online-Prozesse standardisiert von Bund und Ländern den Kommunen zur freiwilligen Nutzung angeboten werden könnten. Gesetze müssen bereits "digital ready" unter Berücksichtigung der kommunalen Umsetzung und der technischen Möglichkeiten in Verwaltungsverfahren (z.B. KI) geschrieben werden.

Die Dresdner Forderungen wurden in der Mitgliedschaft des Deutschen Städtetages geboren und im Frühjahr 2021 auf dem IT-Planungsrats-Fachkongress in Dresden vorgestellt. Sie haben sich seither zu einem Meilenstein der föderalen Diskussion über eine gelingende Verwaltungsdigitalisierung entwickelt. Das Präsidium des Deutschen Städtetages hat die Dresdner Forderungen ausdrücklich begrüßt, genauso die KGSt.

Die kommunale Ebene hat die Pflicht, die Verwaltung zukunftsfest zu machen. Die Dresdner Forderungen sind dabei eine große Chance!

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Sabine Möwes
Leiterin der Stabstelle Digitalisierung Stadt Köln


Dr. Uda Bastians
Beigeordente und Leiterin des Dezernats Recht und Verwaltung
Deutscher Städtetag

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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 2|2024, Schwerpunkt Digitale Verwaltung

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