Städtetag aktuell 2|2024
04.04.2024

DIGITAL.MOVES – Stuttgart in der digitalen Transformation

Von Sandra Baumholz und Thomas Bönig, Stadt Stuttgart

Die Komplexität der Bürokratie, verstärkt durch politische Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene, führt zu erheblichen Kostenbelastungen und Ineffizienzen für Verwaltungen und Kommunen. Trotz gegenteiliger Bekundungen nimmt diese Bürokratie weiterhin zu, oft ohne dass die dadurch entstehenden internen Kosten den Entscheidungsträgern bekannt sind. Die Praxis zeigt, dass die deutsche Bürokratie dazu neigt, das bisher Mögliche unmöglich zu machen und, wenn dies nicht ausreicht, es so kostspielig und kompliziert zu gestalten, dass die intendierten Ziele einer nahezu handlungsunfähigen Verwaltung auf Umwegen erreicht werden. Dies wirkt sich negativ auf die Zugänglichkeit von Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen und Bürger aus. Weiterhin wird Gesellschaft sowie Wirtschaft derart effektiv ausgebremst, dass langfristige Schäden für Deutschlands Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsposition entstehen.

Das Ergebnis ist ein zunehmend dysfunktionaler Staatsapparat, der sich durch steigende Kosten und sinkende Effizienz auszeichnet. Aus einer veralteten Denkweise, die Komplexität als gegeben ansieht, resultieren Prozesse, die zwar rechtssicher und risikofrei sind, jedoch oft ohne Rücksicht auf Effizienz oder Nachhaltigkeit gestaltet werden. Der pragmatische Nutzen dieser Prozesse rückt zunehmend in den Hintergrund. Ein weiterer kritischer Punkt ist die anhaltende Praxis in Ministerien, nicht den Prozess selbst zu digitalisieren, sondern lediglich die Papierformulare im Prozess. Dies zwingt Kommunen dazu, eigenständig und jede für sich in digitale Lösungen zu investieren, um eine ansatzweise fortschrittliche Digitalisierung zu realisieren. Das ist der einzige Grund, warum Digitalisierung in Deutschland nicht bei bürokratischen OZG-Online-Formularen in bestem Amtsdeutsch zum Ausdrucken stehenbleibt, wie es die deutsche Digitalstrategie vorsieht. Stuttgart hat mit seiner umfassenden Digitalstrategie "Digital MoveS" frühzeitig auf diese Herausforderungen reagiert und die Digitalisierung als zentrales strategisches Thema verankert. Durch  bedeutende Investitionen in IT, Infrastruktur und Organisation und die Gründung des Amtes für Digitalisierung, Organisation und IT (DO.IT) im April 2022, agiert die Stadt als einer der Vorreiter in der digitalen Transformation. Mit dem Leitbild "Einfach.Gemeinsam.Digital" und einem Netzwerk aus Digital Movern treibt Stuttgart die lokale Digitalisierung erfolgreich voran. Mit den Digital Movern finden fortlaufend lösungsorientierte Diskussionen statt, wie man digitale Transformation noch effektiver angehen kann. Das Konzept der Stuttgarter Digital Mover als eine Art lokaler CDO vor Ort wird zukünftig veröffentlicht werden, um sich mit anderen Kommunen auszutauschen.

Kooperationen innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung spielen eine zentrale Rolle. Stuttgart ist sich bewusst, dass die digitale Transformation nur gemeinsam zu meistern ist. Die Stadt kooperiert daher eng mit Hochschulen, Start-ups, anderen Kommunen und dem Land Baden-Württemberg. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Kommunalkooperation, die auch eine zentrale und öffentliche Plattform schaffen soll für den Austausch zu regionalen Digitalisierungsprojekten. Damit sollen Erfolge und Erfahrungen transparent gemacht werden. Auch innerhalb der Stadtverwaltung soll zukünftig verstärkt referats- und ämterübergreifend vertrauensvoll und mit einer klaren Vision sowie realistischen Zielen zusammengearbeitet werden.

Neben der Verwaltungsdigitalisierung ist Smart City ein Schwerpunkt in Stuttgart, unter der die Digitalisierung des gesamten öffentlichen Raums verstanden wird. Hier hat Stuttgart Ende 2022 ein stadtweites Smart City Board etabliert, in dem Vertrterinnen und Vertreter der gesamten Stadt auf freiwilliger Basis gemeinsam und vernetzt die "Smart City Stuttgart" vorantreiben. Stuttgart hat im Smart City Umfeld schon heute sehr viel zu bieten, was aber oftmals kaum oder gar nicht bekannt ist. Daher wird auch Digitale Kommunikation verstärkt in den Fokus genommen und aktuell ein stadtweites Social Intranet mit neuen attraktiven Formaten für bessere digitale Zusammenarbeit und Kommunikation aufgebaut.

Eine weitere strategische Zielsetzung ist der digitale Arbeitsplatz, welcher den Mitarbeitenden zukünftig verstärkt moderne Technologie wie Smartphones oder andere mobile Endgeräte als vollwertige Arbeitsutensilien zur Verfügung stellen wird. Diese sollen einen alternativen, aber dennoch
leitungsfähigen Zugang zu den städtischen Systemen ermöglichen. Damit wird neuartiges und attraktives Arbeiten in der Verwaltung ermöglicht, von dem auch die Landeshauptstadt als Arbeitgeberin stark profitieren wird. Um das erfolgreich umzusetzen ist in der Stadt ein neues Mindset und eine gänzlich andere Kultur erforderlich. Im kulturellen Umfeld wurde schon vieles verändert und ein großes Kulturentwicklungskonzept mit externer Unterstützung aufgesetzt. In DO.IT ist z.B. neben der #gerneperdu-Kultur auch ein Management Board etabliert worden, in dem amts- oder stadtweite Entscheidungen gemeinsam beschlossen werden, denn es soll immer die beste Idee gewinnen, nicht die hierarchische.

Die digitale Transformation ist in Stuttgart angekommen, um digitaler, attraktiver, moderner und effektiver zu werden. Der Weg ist noch weit und oft beschwerlich, aber auch der längste und schwierigste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Stuttgart wird auf diesem Weg sehr erfolgreich sein, denn die Stadt hat einen riesigen Vorteil: Sie verfügt über sehr viele hoch qualifizierte, innovative, engagierte und motivierte Mitarbeitende, die alles das ermöglichen werden, was in den nächsten Jahren digitale Realität werden soll.



Sandra Baumholz
Leiterin Digitalstab Landeshauptstadt Stuttgart



Thomas Bönig
CIO, CDO und Amtsleiter Amt für Digitalisierung, Organisation und IT (DO.IT) Landeshauptstadt Stuttgart

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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 2|2024, Schwerpunkt Digitale Verwaltung

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