Gute Einigung – mit dickem Wermutstropfen
Mediengruppe Bayern: Viele Städte stecken tief im Defizit. Wie hat sich die Unsicherheit nach dem Ampel-Aus auf die Kommunen ausgewirkt, hat sich die Lage noch einmal verschärft?
Helmut Dedy: Die kommunalen Haushalte steuern in diesem Jahr auf ein Rekorddefizit von über 13 Milliarden Euro zu, mehr als doppelt so viel wie noch im letzten Jahr.
Bund und Länder weisen uns seit Jahrzehnten immer mehr Aufgaben zu, ohne für eine vernünftige Finanzierung zu sorgen.
Inflation und steigende Sozialausgaben tun ihr Übriges. Durch die vorgezogenen Neuwahlen kommen weitere Unsicherheiten dazu. Können wir uns auf angekündigte Fördermittel des Bundes verlassen? Was passiert in der vorläufigen Haushaltsführung ab Januar? Es sind solche Fragen, die die ohnehin schwierigen Haushaltsplanungen in den Städten noch schwieriger machen.
Mediengruppe Bayern: Die Frage einer Altschulden-Regelung ist seit langem im Schwange. Wie dringlich ist die und haben Sie die Hoffnung, dass es noch dazu kommt?
Helmut Dedy: Ich hoffe, dass es noch eine Lösung gibt. Städte im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind besonders betroffen. Für sie ist das eine fast schon existenzielle Frage. Sie kommen häufig aus eigener Kraft nicht aus der Schuldenspirale heraus. Für eine Altschuldenlösung mit Bundesmitteln brauchen wir aber eine Grundgesetzänderung. Dafür müssen im Bundestag dann nicht nur die Parteien der amtierenden Bundesregierung zustimmen, sondern auch die CDU/CSU. Und es muss auch durch den Bundesrat. Einfach wird es nicht. Wichtig ist aber: Die anderen Bundesländer kostet das Ganze nichts. Kommunen in Bayern oder Baden-Württemberg hätten also keine Nachteile.
Mediengruppe Bayern: Gibt es wegen der prekären Finanzlage der Gemeinden verstärkte Sparmaßnahmen oder sind solche geplant?
Helmut Dedy: Vor Ort steht vieles auf dem Prüfstand. Die Zeit ausgeglichener kommunaler Haushalte ist vorbei. Natürlich werden die Städte ihre Pflichtaufgaben erfüllen. Also viele Sozialleistungen, Grundschulen und Kitas oder die Gesundheitsämter. Sogenannte freiwillige Aufgaben aus Kultur, Sport, Vereinsleben schauen sich die Städte genauer an. Die meisten Städte, die gerade ihre Haushalte aufstellen, fragen nicht mehr, ob sie bei freiwilligen Aufgaben sparen, sondern bei welchen.
Mediengruppe Bayern: Geraten Zukunftsprojekte, wie die Wärmewende, in akute Probleme? Drohen sie zu scheitern?
Helmut Dedy: Am Engagement der Städte wird die Wärmewende nicht scheitern. Wir stecken mitten in der kommunalen Wärmeplanung und bereiten uns gemeinsam mit den Stadtwerken und Versorgern darauf vor, den notwendigen Ausbau der Wärmenetze voranzutreiben.
Aber zur Ehrlichkeit gehört auch: Weder Bund noch Länder haben bisher ein Konzept, wie die Milliardensummen für die Energie- und Wärmewende in Deutschland letztlich finanzieren werden sollen.
Dass die Städte es nicht allein stemmen können, ist klar. Ein Baustein für die Finanzierung könnte aus unserer Sicht sein, auch privates Kapital einzubeziehen. Die Details diskutieren wir gerade.
Mediengruppe Bayern: Wie stehen Sie als Verband zu den Forderungen, Syrer nach dem Umsturz in ihrer Heimat verstärkt zurückzuführen?
Helmut Dedy: Dass in Syrien nach so vielen Jahren ein barbarisches Regime gestürzt wurde, macht Hoffnung. Das hat vor wenigen Wochen niemand kommen sehen. Nur weiß niemand heute schon, wohin sich Syrien entwickelt. Wir sollten uns vor allzu einfachen Antworten hüten. Ist es gut, wenn Syrerinnen und Syrer jetzt in ihre Heimat zurückkehren und ihr Land wieder aufbauen können? Klar. Ist jeder Landesteil Syriens wieder für alle sicher? Das wissen wir noch nicht. Wir sollten auch nicht vergessen, dass viele Syrerinnen und Syrer bei uns gut integriert und in Arbeit sind. Was bedeutet es für uns, wenn die syrische Ärztin unser Krankenhaus verlässt oder der syrische Busfahrer den Bus nicht mehr fährt? Diese Fragen kommen mir in der aktuellen Debatte etwas kurz.
Mediengruppe Bayern: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Handlungsfelder, die eine neue Regierung angehen muss?
Helmut Dedy: Zuerst einmal brauchen wir ein echtes Miteinander von Städten, Bund und Ländern. Wir sind die Gestalter vor Ort. Deshalb geht es darum, die Handlungsfähigkeit der Städte sicherzustellen. Die Bundesregierung muss gemeinsam mit den Ländern die Finanzausstattung der Kommunen verbessern. Sie muss sich um bezahlbares Wohnen kümmern und um die Energiewende. Sie muss irreguläre Migration eindämmen und gleichzeitig Integration in Arbeit von Geflüchteten einfacher machen.
Es gibt viel zu tun. Und ein Thema kommt oft zu kurz: Bildung. Der Digitalpakt 2.0 zwischen Bund und Ländern ist gerade fertig verhandelt. Er soll eine moderne, digitale Ausstattung unserer Schulen sichern. Das ist gut. Die Einigung von Bund und Ländern hat für uns aber einen dicken Wermutstropfen. Ihren Eigenanteil können sich die Länder mit Geldern schönrechen, die eigentlich die Kommunen ausgeben.
Heißt also: Die finanzielle Belastung der Kommunen als Schulträger für Netzwerke und Tablets bleibt. Trotzdem bringt der Digitalpakt unterm Strich Milliarden für digitale Bildung. Das erkennen wir an. Die neue Bundesregierung sollte ihn am ersten Tag ihrer Amtszeit umsetzen.
Mit freundlicher Genehmigung der Passauer Neuen Presse, www.pnp.de