"Digitalisierung ist kein Luxus, sondern unabdingbar"
Die Städte haben in der Krise Beeindruckendes geleistet. Die öffentliche Daseinsvorsorge funktionierte und notwendige Verwaltungsleistungen wurden erbracht. Die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung wurden umgesetzt und über viele, teils neue Kanäle kommuniziert. Allerdings wissen wir jetzt auch besser, wo noch Knackpunkte der digitalen Arbeit liegen – und müssen den Schwung für die richtigen Weichenstellungen nutzen.
Die Städte haben eine steile Lernkurve hinter sich, denn ein normaler Verwaltungsbetrieb war nicht mehr möglich. Mobile Endgeräten wurden in kürzester Zeit eingerichtet, gesicherte digitale Zugänge geschaffen. Homeoffice wurde zum neuen Standard – und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben auf allen Ebenen mitgezogen. Ihre Flexibilität ging über die bloße Änderung des Arbeitsortes hinaus - viele übernahmen gänzlich neue Aufgaben: von der Kontaktverfolgung über städtische Corona-Hotlines bis hin zur "Corona-Streife" der kommunalen Ordnungsdienste. Diese hohe Flexibilität und große Einsatzbereitschaft haben so manches Vorurteil über die vermeintliche Mentalität im öffentlichen Dienst widerlegt. Und gerade in der gemeinsamen Krisenbewältigung sind wir zusammengewachsen – in der Verwaltung ebenso wie in der Stadtgesellschaft. Digitale Hilfsplattformen sind ein Ausdruck davon.
Das alles war herausfordernd, bot aber auch Chancen
Der erzwungene Digitalisierungsschub ist auch für den Kontakt zwischen Bürgerschaft und Verwaltung hilfreich gewesen: Viele Städte haben oft kurzfristig digitale Terminbuchungssysteme eingeführt, um den Zugang zu Verwaltungsleistungen trotz Corona zu ermöglichen. Und viele Bürgerinnen und Bürger haben sich notgedrungen mit den Möglichkeiten befasst, Fragen mit der Verwaltung digital zu klären und Leistungen über die städtischen Portale zu beantragen. Auch wenn bei weitem nicht alle Verwaltungsleistungen wegen gesetzlicher Anwesenheits- oder Schriftformerfordernissen digital erreichbar sind, so waren doch etliche Bürgerinnen und Bürger überrascht, dass sie in ihrer Stadt zum Beispiel für den Anwohnerparkausweis gar nicht mehr "aufs Amt" müssen, Infrastrukturprobleme über Portale melden können und die Verwaltung nicht nur über Email und Kontaktformulare verfügt, sondern auch tatsächlich antwortet.
Wird der digitale Staat jetzt Realität?
Die Krise hat das große Potenzial der Digitalisierung für unser städtisches Gemeinwesen gezeigt, das ausgeschöpft werden kann.
Klar ist: Die Digitalisierung der Verwaltung setzt zunächst technische Ausstattung voraus. Die Städte, die neben Laptops und gesicherten Zugänge auch bereits über elektronische Akten verfügten, waren im Vorteil. Nur mit der E-Akte, einem Dokumentenmanagementsystem und belastbaren Netzinfrastrukturen ist eine durchgehend digitale Verwaltung denkbar. Zusätzlich braucht es die im Onlinezugangsgesetz (OZG) angelegten digitalen Verfahren, aber medienbruchfrei vom Antrag bis zur fachlichen Bearbeitung. Gesetzesänderungen sind zusätzlich notwendig, um das Potenzial digitaler Verfahren datenschutzkonform auszuschöpfen und Entbürokratisierung, Beschleunigung und Serviceverbesserungen zu erreichen. Dazu gehört auch, dass nicht jede Stadt die bundeseinheitlichen Verfahren in Eigenregie digitalisiert. Vielmehr sind hier zentrale Angebote sinnvoll. Werden diese Anforderungen an die Umsetzung des OZG beachtet, kann es als Motor der Verwaltungsdigitalisierung wirken.
Zusätzlich benötigen wir Qualifizierungsmaßnahmen für das städtische Personal. Die Corona-Krise wälzt die klassischen Arbeitsstrukturen um. Das "Homeoffice" ist nur die äußerliche Erscheinungsform. Wichtig ist, wie die Arbeit der Zukunft aussehen wird, welche Kompetenzen wichtig sein werden und wie wir diesen Weg gemeinsam mit den Beschäftigten gestalten. Hier ist berufliche Aus- und Fortbildung zentral, und wir brauchen eine enge Kooperation von Kommunen, Ländern, Bund, Wissenschaft, Bildungseinrichtungen und Gewerkschaften. Daher engagieren sich viele Städte im Projekt "Qualifica digitalis" des IT-Planungsrates unter der Federführung der Freien Hansestadt Bremen, in dem diese Zukunftsfragen erörtert werden.
Digitalisierung ist kein Luxus, sondern unabdingbar
Corona hat uns die zwingende Notwendigkeit der weiteren Digitalisierung für Krisenfestigkeit und Resilienz der Verwaltung vor Augen geführt. Die Finanzierung - von technischer Ausstattung über E-Akte, Dokumentenmanagementsystemen bis hin zur Einführung neuer medienbruchfreier Verfahren – ist angesichts knapper Kassen eine erhebliche Hürde. Die im Konjunkturpaket des Bundes für die Umsetzung des OZG eingeplante Summe von 3 Milliarden Euro ist ein wichtiger Beitrag, der auch tatsächlich bei den Kommunen ankommen muss. Dabei sehen wir auch Einsparpotenziale:
So lange Kommunalverwaltungen bundes- und landeseinheitlichen Auftragsangelegenheiten ausführen, sollten Bund und Länder zentrale Lösungen für zentrale Verfahren als Angebot zur Verfügung stellen, um Ressourcen nicht für die vielfache Digitalisierung gleicher Verfahren zu vergeuden.
Die Motivation zur Digitalisierung ist aktuell höher denn je. Die Städte haben während der Hochphase gezeigt, wozu sie in der Lage sind: Nämlich flexibel und schnell zu reagieren und Personal, Wissen und Erfahrung zielgenau und bedarfsgerecht einzusetzen. Diesen Schwung und die Mittel aus dem Konjunkturpaket des Bundes müssen wir nun gemeinsam mit unseren Partnern von Bund und Ländern nutzen, um die Verwaltungen resilient und zukunftsfähig aufzustellen.
Geschrieben von: Dr. Uda Bastians, Beigeordnete des Deutschen Städtetages
In der Serie: Wie arbeiten Verwaltungen in Zeiten der Corona-Krise?
Zum Thema: Digitale Verwaltung
Im Online-Journal "Verwaltung der Zukunft", abrufbar unter: www.verwaltung-der-zukunft.de