Auftakt der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages in Dortmund
04.06.2019

Zusammenhalt in den Städten stärken, nachhaltige Mobilität forcieren und mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen

Die deutschen Städte halten einen stärkeren Zusammenhalt in der Gesellschaft für nötig und wollen dazu ihren Beitrag leisten. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, sagte zum Auftakt der Hauptversammlung des kommunalen Spitzenverbandes in Dortmund: "Zusammenhalten in unseren Städten – das ist Realität, Forderung und Hoffnung zugleich. Wir erleben Entwicklungen in Deutschland und ganz Europa, die unseren bisherigen Konsens zu den Werten einer freien und demokratischen Gesellschaft in Frage stellen. Außerdem fühlt sich ein Teil der Menschen abgehängt. Wir brauchen wieder mehr Zusammenhalt. Das ist nicht allein ein Thema der Städte, aber es ist ein großes Thema der Städte. Denn wir in der Kommunalpolitik sind für die Menschen erster Ansprechpartner. Sie kommen mit ihren Anliegen in unsere Rathäuser, ob wir zuständig sind oder nicht. Wir wollen das Zusammenhalten in unseren Städten stärken, und wir bekennen uns zu einer vielfältigen und toleranten Gesellschaft."

Die Hauptversammlung des Deutschen Städtetages, die alle zwei Jahre stattfindet, steht diesmal unter dem Motto "Zusammenhalten in unseren Städten". In Dortmund werden rund 1300 Delegierte und Gäste erwartet. Prominenteste Redner sind am Mittwoch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Der Deutsche Städtetag vertritt rund 3400 Städte und Gemeinden mit fast 52 Millionen Einwohnern gegenüber Bundesregierung, Bundesrat und Europäischer Union. Er versteht sich als die Stimme der Städte, weil er alle kreisfreien Städte einschließlich der Stadtstaaten sowie die meisten kreisangehörigen Städte repräsentiert.

Neben dem Zusammenhalt beschäftigen den Deutschen Städtetag aktuell besonders die Themen Verkehr, Wohnungsbau, Klimaschutz und die Reform der Grundsteuer. Die Städte fordern Bund und Länder anlässlich ihrer Hauptversammlung auf, die Verkehrswende viel stärker voranzutreiben. Der Deutsche Städtetag verlangt dazu eine milliardenschwere Investitionsoffensive. Außerdem drängt er auf größere Erfolge beim Wohnungsbau in wachsenden Städten, damit mehr bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit niedrigen Einkommen und für breite Bevölkerungsschichten entsteht.

Verkehrswende auf Touren bringen

Städtetagspräsident Markus Lewe erklärte: "Wir dürfen nicht zaghaft und zögerlich sein, wenn es um den Umbau unserer Verkehrssysteme geht. Und wir müssen klotzen statt kleckern. Die kommunale Verkehrsinfrastruktur ist dramatisch unterfinanziert, es gibt hier einen Investitionsstau von über 38 Milliarden Euro. Für die Trendwende zu nachhaltiger Mobilität brauchen die Kommunen über bisherige Programme hinaus eine Investitionsoffensive von Bund und Ländern mit zusätzlichen Mitteln von 20 Milliarden Euro für mindestens zehn Jahre, also 2 Milliarden jährlich. Auch der Klimaschutz im Verkehr ist zu lange vernachlässigt worden. Deshalb muss jetzt schnell gehandelt werden. Die Verkehrswende muss auf Touren kommen. Wir müssen einer nachhaltigen, umweltfreundlichen und klimaschonenden Mobilität für alle zum Durchbruch verhelfen. Das wollen viele Menschen und das wird unsere Städte lebenswerter machen. Die Städte fordern dazu von Bund und Ländern ein Gesamtkonzept für nachhaltige Mobilität, in dem der Klimaschutz eine wichtige Rolle spielt. Wir brauchen vor allem mehr attraktive Angebote, vom Auto auf die Bahn, auf ÖPNV, Fahrrad und Fußwege umzusteigen." Natürlich investieren auch die Städte etwa in emissionsarme Busse und Bahnen, vernetzen Verkehrsmittel besser und bauen die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge aus.

Rund 11 Milliarden Fahrgäste sind im ÖPNV in Deutschland pro Jahr unterwegs, Tendenz steigend. Tatsächlich lebe der ÖPNV aber seit Jahren von der Substanz. Tunnel- und Gleisanlagen müssten saniert, Busse und Bahnen neu beschafft und Haltestellen umgebaut werden. Der Bund müsse jetzt rasch sein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, das Bundesprogramm für Großprojekte im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) von rund 330 Millionen auf 1 Milliarde Euro anzu-heben. Für den Aus- und Umbau von Straßen, Bahnen und Schienen seien zudem die Länder gefor-dert, die GVFG-Mittel bedarfsgerecht zu erhöhen, für die sie ab 2020 finanziell verantwortlich sind.

"Der Fahrradverkehr nimmt deutlich zu, immer mehr Menschen fahren selbst weitere Strecken mit dem Rad und elektrische Tretroller werden in Kürze ebenfalls verstärkt Radwege nutzen. Deshalb brauchen wir auch eine Radwege-Offensive von Bund, Ländern und Kommunen", forderte Lewe.

Außerdem sei es notwendig, den begrenzten öffentlichen Raum in den Städten neu aufzuteilen. Im Durchschnitt transportieren Pkw nur 1,4 Menschen pro Fahrt, brauchen dafür aber die meiste Fläche pro Fahrgast. Lewe machte deutlich: "Wir brauchen im öffentlichen Raum mehr Flächen für Begegnungen und für nachhaltige Mobilität. Das Gesicht unserer Städte soll nicht Parkplatz oder vierspurige Straße sein. In der Konsequenz wird das heißen müssen: weniger Platz für Autos, dafür mehr Raum für die Menschen, die mit ÖPNV, dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind. Diese neue Balance müssen die Städte im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern aushandeln." Der Erfolg messe sich vor allem an der Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den ansässigen Unternehmen.

Wohnen ist Grundbedürfnis – Wohnraumoffensive mit mehr Tempo umsetzen

Trotz der beim Wohngipfel im Herbst 2018 ausgerufenen Wohnraumoffensive und einiger positiver Entscheidungen von Bund und Ländern werden vor allem in Ballungsräumen und wachsenden Städten zu wenige bezahlbare Wohnungen neu gebaut, betonte der Städtetagspräsident. Nötig wären derzeit etwa 400.000 neue Wohnungen jedes Jahr. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr aber nur knapp 290.000 gebaut. Der Mangel an Bauland, hohe Grundstückspreise und Baukosten erschweren es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Die Städte selbst entwickeln Baulandstrategien, geben zum Teil Grundstücke preisreduziert ab und verpflichten größere Investoren, anteilig bezahlbare Wohnungen vorzusehen. Die bestehenden Probleme könnten jedoch nur in einer konzertierten Aktion aller Beteiligten bewältigt werden, machte Lewe deutlich: "Wohnen ist für jeden Menschen ein Grundbedürfnis. Ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, darf nicht allein dem Markt überlassen werden. Alle Akteure sind gefragt. Wir müssen bauen, bauen und bauen. Die Wohnraumoffensive muss mit mehr Tempo umgesetzt werden. Die Städte wollen dazu beitragen. Sie werden weiter Bauland mobilisieren und Nachverdichtung ermöglichen. Und zwar so, dass in guter Qualität gebaut und eine soziale Mischung der Bevölkerung in den Wohnvierteln gesichert wird."

Elementar bleibe der soziale Wohnungsbau und die Verfügbarkeit von Bauland. Deshalb seien die Städte froh, dass der Bund weiter mit in der Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung bleibt und nicht am Ende dieses Jahres aussteigt. Und deshalb müssten die Städte wieder leichter aktiv Bauland für bezahlbare Wohnungen bereitstellen können. Dazu sollte zum Beispiel das Vorkaufsrecht der Kommunen gestärkt werden. "Nötig sind 80.000 bis 120.000 neue Sozialwohnungen jährlich. Derzeit sind es etwa nur halb so viele", so Lewe.