Ein neuer Blick auf die Stadt: Interessengegensätze deutlich ansprechen und Wege für lebenswerte Städte aushandeln
Städte sind Leben, Städte sind Vielfalt, aber Städte sind auch gelebte Interessengegensätze. Die Städte gestalten Veränderung und beteiligen die Menschen, um Interessen auszugleichen für mehr Lebensqualität in der Stadt.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, plädierte heute in seiner Rede während der Hauptversammlung des kommunalen Spitzenverbandes in Dortmund für einen neuen Blick auf die Stadt: "In Städten leben Konflikte. Der Hintergrund ist einfach: Die Lebensentwürfe der Menschen sind grundverschieden. Wie sollen Städte sein? Sie brauchen Lebensqualität. In lebenswerten Städten fühlen sich Menschen sicher, gibt es für Kinder gute Schulen und Kitas. Es gibt Kultur und nachhaltige Mobilität, Grünflächen, Jobs, Restaurants und Geschäfte."
Wie diese Ziele zu erreichen seien, darüber müsse ein gemeinschaftlicher Konsens in der Stadtgesellschaft erreicht werden: "Die Stadt gehört allen, die dort leben. Das muss unser Grundsatz bleiben. Deshalb braucht es Debatten und den Streit der Meinungen. Wir müssen Probleme vor Ort benennen und dürfen sie nicht in Watte packen. Konflikte brauchen Haltungen. Und Vertrauen braucht Haltung und Redlichkeit", so Dedy.
Genauso wichtig seien Beteiligungsprozesse vor Ort. "Vertrauen wächst durch Beteiligung und Transparenz. Je mehr sich Menschen durch Beteiligungsprozesse mitgenommen fühlen, umso mehr vertrauen sie der Kommunalpolitik. Beteiligung und Transparenz sind steinige Wege, aber vielleicht die einzige Chance, Menschen beim Ausgleich der Interessen mitzunehmen. Denn Beteiligung und Transparenz schaffen Akzeptanz." Dabei verwies Dedy auf das ausgeprägte Vertrauen in die Kommunalpolitik, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung gerade bestätigte. Es seien die besten Werte im politischen Raum. Die Menschen stellten der Kommunalpolitik ein gutes Zeugnis aus. Glaubwürdigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, charakterliche Stärke oder Bürgernähe seien Stichworte. Je näher Politik den Menschen sei, desto ausgeprägter sei das Vertrauen.
Der Hauptgeschäftsführer machte - auch mit Blick auf die jüngste Blogger-Debatte anlässlich des Rezo-Videos – auf die grundlegenden Veränderungen in der politischen Kommunikation aufmerksam. Man könne durchaus kritische Fragen an Rezo stellen, aber neben der Kritik gebe es eine andere Seite: "Wir hören in der Debatte die Sprachlosigkeit der Alten gegenüber den Jungen, man kann sie mit Händen greifen. Und neben dem Video wirkt die Sprache der Politik technisch und ziemlich unbeholfen. Wir merken, Kommunikation ist eine Herausforderung. Das gilt auch für Facebook, Twitter und Co. Sie bieten Chancen, sie haben aber auch Schattenseiten. Vor allem lassen sie ganz andere Meinungsbilder entstehen. Es braucht nicht russische Trolle, um völlig verquere Eindrücke zu vermitteln. Die Echokammern tun das automatisch. Die politische Kommunikation ist die große Herausforderung unserer Demokratie", so Dedy.
Nach Aussage Dedys stehen grundlegende Veränderungen beispielsweise in den Bereichen Wohnen, Verkehr und Handel in den Städten an, bei denen Interessengegensätze aufeinanderprallen. "Die Angst, auf dem Wohnungsmarkt nicht mehr zum Zuge zu kommen, ist sehr ernst. Es ist ein Sprengsatz, vielleicht der größte, den wir derzeit haben. Und wir wissen, er kann uns Stadtgesellschaften zerschießen. Ein anderes Beispiel ist der Verkehr. Man kann zum Auto stehen wie man will. Aber die Zukunft des Verkehrs wird nicht überall im Individualverkehr liegen. Beim Onlinehandel tragen wir das Problem in uns. Samstags schimpfen wir über den Rückgang inhabergeführter Geschäfte, um sonntags im Netz zu bestellen und montags über die Flut an Paketdiensten zu schimpfen."
Zu vielen Themen werden tagtäglich in den Städten Debatten geführt. Die Ziele der lebens-werten Stadt sind schnell genannt, der Weg dahin sei nicht einfach. Aber das Vertrauen in die Kompetenz der Kommunalpolitik sei das beste Startkapital, machte Dedy deutlich. "Veränderung ist allgegenwärtig, denken Sie nur an Stichworte wie Digitalisierung oder künstliche Intelligenz. Zukunft zu gestalten ist immer Herausforderung. Und Veränderungen schaffen Verunsicherung. Aber Städte können Transformation und Veränderung seit Jahrhunderten. Städte sind Orte gelebter Demokratie. Sie sind Ort von Gemeinschaft und Miteinander über Generationen hinweg. Städte schaffen Zusammenhalt."
Zum Abschluss seiner Rede sagte Dedy: "Lebendig bleiben wir, wenn wir immer mal wieder die Blickrichtung ändern. Wir brauchen einen neuen Blick auf die Stadt. Unser Ziel aber bleibt gleich: Wir brauchen Städte für Menschen."