Erwartungen an künftige Bundesregierung
23.01.2025

Städte wollen Gestalter sein, nicht Mangelverwalter: Nach der Bundestagswahl für ein neues Miteinander von Bund, Ländern und Kommunen sorgen

Deutscher Städtetag nach Sitzungen von Präsidium und Hauptausschuss in Gotha

Der Deutsche Städtetag hat bei Sitzungen von Präsidium und Hauptausschuss in Gotha seine Erwartungen an die künftige Bundesregierung formuliert.

Dazu sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster:

"Die Städte wollen gestalten. Wenn die Menschen den Staat vor Ort handlungsfähig erleben, wenn sie sehen, dass Schulen, Kitas, Verkehrsnetze, Ämter, Energie­versorgung, Sicherheit, Sport und Kultur vor Ort funktionieren, dass Wohnraum geschaffen wird und Probleme gelöst werden – dann gewinnt auch die Demokratie. Verlieren wird sie mehr und mehr, wenn die Politik vor Ort nicht mehr als Gestalter, sondern als Mangelverwalter wahrgenommen wird."

Die Brisanz der Lage in den Städten werde von Bund und Ländern bisher aber nicht erkannt. Unausgeglichene Haushalte, enorme Investitionsrückstände, unzureichende Infrastruktur – die wesentlichen Grundlagen für die Gestaltung vor Ort erodieren mehr und mehr. Wenn sich nichts ändert, werden die Kommunen Leistungen herunterfahren oder ganz einstellen müssen.

"Wir brauchen deshalb ein neues Miteinander von Bund, Ländern und Kommunen. Wir brauchen ein grundlegend anderes Verständnis der Zusammenarbeit. Die neue Regierungskoalition muss sich in ihrem Koalitionsvertrag zu diesem neuen Miteinander verpflichten. Wir müssen uns an einen Tisch setzen und gemeinsam anschauen: Welche Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Städten soll es geben und wie wird sie finanziert? Bund und Länder müssen den Städten vertrauen und ihnen deutlich mehr Mittel und deutlich mehr Gestaltungsmacht geben. Das heißt dann auch: ein höherer Steueranteil für die Städte."

Lewe sagte weiter: 

"Vertrauen in die Städte bedeutet außerdem: Bund und Länder sollten uns, beispielsweise für den Klimaschutz, feste Budgets geben, mit denen wir arbeiten können, statt kompliziert zu beantragende Förderprogramme aufzustellen", so Lewe weiter.

Klimaneutralität ist epochale Herausforderung

"Für ein neues Miteinander reichen kleine Stellschrauben nicht mehr aus, es müssen auch große Räder gedreht werden. Auf dem Weg zur Klimaneutralität stehen wir vor epochalen Herausforderungen.

Diese Transformationsaufgaben werden nicht nach dem Motto funktionieren: 'Der Bund beschließt und die Städte werden es schon richten.' Wir müssen ganz neue Finanzierungswege gehen, um die enormen Investitionen in Klimaanpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen stemmen zu können. Das gilt vor allem für die Energiewende.

Diese Investitionen sind echte Investitionen in die Zukunft. Klimaschutz und Klimaanpassung sind längst auch wirtschaftliche Faktoren. Wenn wir mit technischen Innovationen die Energie-, die Wärme- und die Verkehrswende nach vorne bringen, ist das gut für die Lebensqualität in unseren Städten, aber auch für die Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Und von einer starken heimischen Wirtschaft profitieren auch die Kommunen", so Städtetagspräsident Lewe.

Integration in den Arbeitsmarkt vereinfachen, ungesteuerte Migration begrenzen

Die neue Bundesregierung muss außerdem die Themen in den Blick nehmen, die viele Menschen in diesem Land beschäftigen. Dazu gehört das Thema Migration und vor allem eine verbesserte Integration. "Die neue Bundesregierung muss die Städte finanziell und organisatorisch besser bei allen Integrationsaufgaben unterstützen. Sie muss ungesteuerte Migration begrenzen, europäische Abkommen wie Dublin III wieder wirksam machen, Rückführungs- und Migrationsabkommen mit Herkunftsländern vorantreiben und Schleuserkriminalität bekämpfen. Gleichzeitig gilt: Deutschland braucht Zuwanderung von Fachkräften – auch die Städte sind dringend darauf angewiesen. Für die künftige Bundesregierung heißt das: Sie muss die Integration von Zugewanderten in den Arbeitsmarkt vereinfachen und beschleunigen", so Lewe.

Bezahlbares Wohnen ermöglichen, Bauen erleichtern, Städtebauförderung verdoppeln

Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, forderte für die neue Legislaturperiode, den Wohnungsbau massiv auszubauen: "Wohnen ist das zentrale Thema für viele Menschen. Und es birgt seit Jahren sozialen Sprengstoff. Das merken wir besonders in vielen großen und Universitätsstädten. Es gibt dort kaum freie Wohnungen. Wir erleben seit Jahren Mietsteigerungen, die sich viele Bürgerinnen und Bürger nicht mehr leisten können. Gleichzeitig laufen die Baukosten aus dem Ruder, weil Zinsen steigen und Baustoffe und Grundstücke im Preis deutlich ansteigen. Wir brauchen Lösungen sowohl für Städte, in denen die Nachfrage hoch ist und Wohnungen fehlen, als auch für Städte, die mit Leerständen zu kämpfen haben. Der Markt allein wird das nicht richten. Hier muss eine neue Bundesregierung Prioritäten setzen."

Seit 2017 sind die Baukosten um rund 60 Prozent gestiegen, das hat den Wohnungsbau massiv ausgebremst. Auch für private Bauherren muss es wieder attraktiver werden, mehr Wohnraum zu schaffen. Jung sagte: 

"Es muss durch gezielte Förderung gelingen, den privaten und öffentlichen Bauwilligen wieder kostengünstigeren Wohnungsbau zu ermöglichen sowie bezahlbare Mieten zu sichern. Dafür brauchen wir ein ganzes Maßnahmenbündel. Dazu gehört, die Mietpreisbremse endlich zu verlängern, unnötige Regularien und Standards abzubauen, die fast fertige Novelle des Baugesetzbuches unter Dach und Fach zu bringen und für die Städte mehr Vorkaufsrechte zu verankern, damit die Bodenpreise nicht immer weiter steigen."

Besonders die Städtebauförderung hat sich als erfolgreiches und vielseitig anwendbares Instrument etabliert. "Mit den Bundesmitteln von 790 Millionen Euro jährlich werden vor Ort durchschnittlich achtmal mehr private Investitionen ausgelöst. So werden öffentliche Gebäude energetisch saniert, bezahlbarer Wohnungsbau gefördert, Flächen entsiegelt und begrünt, um Städte für den Klimawandel fit zu machen. Mit den Mitteln der Städtebauförderung verbessert sich das Leben für die Bürgerinnen und Bürger spürbar. Gleichzeitig stärkt es die regionale Wirtschaft und wirkt wie ein Konjunkturprogramm. Allerdings verharren die Mittel seit Jahren auf gleichem Stand, während die Baukosten massiv ange­stiegen sind. Deshalb erwarten wir, dass eine neue Bundesregierung die Städtebauförderung mindestens verdoppelt. Nur dann kann diese Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden."

Gute Bildung sichert die Teilhabe – Bildung dauerhaft finanzieren

Die Städte wollen die digitalen Bildungschancen von Jugendlichen und Kindern mit vorantreiben. Dafür brauchen sie aber auch den Bund und die Länder. Jung machte deutlich: "Dass sich die Länder mit dem Bund auf den letzten Metern endlich auf Eckpunkte für den Digitalpakt 2.0 verständigt haben, ist wichtig. Es geht endlich vorwärts. Die Städte können die digitale Ausstattung der Schulen nicht alleine stemmen – weder die Anschaffung, noch Wartung, Ersatz und Administration. Jetzt muss die Einigung zwischen Bund und Ländern schnell festgezurrt und die nötigen 16 Verwaltungsvereinbarungen zügig unterschrieben werden. Denn danach dauert es noch mindestes ein halbes Jahr, bis das erste Geld in den Städten ankommt. Gleichzeitig müssen die Mittel auch noch im Bundeshaushalt 2025 bereitgestellt werden. Durch das Auslaufen des ersten Digitalpakts klafft schon jetzt eine Finanzierungslücke." Digitalisierung an Schulen und mehr Bildungsgerechtigkeit braucht eine langfristige Perspektive.

Der stellvetretende Städtetagspräsident Burkhard Jung erklärte: 

"Gute Bildung sichert die Teilhabe von Menschen und trägt zum Zusammenhalt der Städte bei. Auch dafür muss eine neue Bunderegierung einstehen und das Startchancenprogramm für die Schulen langfristig absichern."