Städte wieder handlungsfähig machen, Infrastruktur-Projekte beschleunigen
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Das Präsidium des Deutschen Städtetages im Friedenssaal im Rathaus der Stadt Münster.
Stadt Münster / Michael Möller
Der Deutsche Städtetag fordert die potenziellen Koalitionäre im Bund auf, ein neues Miteinander von Bund, Ländern und Kommunen mit Leben zu füllen. Zu den laufenden Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster:
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Paul-Philipp Braun
"In den vergangenen Wochen haben wir von der Bundesebene oft gehört, dass die Handlungsfähigkeit der Kommunen gestärkt werden soll. Daran wird sich die neue Bundesregierung messen lassen müssen."
Lewe weiter: "Das Infrastruktur-Sondervermögen mit 100 Milliarden Euro explizit für Länder und Kommunen ist dafür ein wichtiges Signal in Richtung Zukunft. Das unterstützen wir unbedingt. Jetzt müssen Bund und Länder zügig dafür sorgen, dass die Mittel unkompliziert und schnell vor Ort ankommen."
Neben den 100 Milliarden für Länder und Kommunen sowie den 100 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds sollte auch von den weiteren 300 Milliarden Euro des Sondervermögens ein großer Teil vor Ort ankommen. In ihrem Sondierungsergebnis hatten sich CDU/CSU und SPD darauf verständigt, unter anderem in Bildung, Gesundheit, Energie und Straßen zu investieren. Lewe sagte:
"Der Bund hat praktisch keine Schulen oder Krankenhäuser, die Kommunen schon. Die Energiewende wird vor Ort umgesetzt. Und rund 80 Prozent der Straßen in Deutschland sind kommunale Straßen. Da ergibt es sich fast von selbst, dass ein erheblicher Teil des Sondervermögens auch vor Ort eingesetzt werden muss."
Das Sondervermögen allein macht aber die Städte noch nicht wieder handlungsfähig. Es braucht weitere Reformen und spürbare Entlastungen. Denn die Kommunen leisten ein Viertel der staatlichen Ausgaben, haben aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen.
"Wir warnen davor, Steuersenkungen auf Kosten der kommunalen Kassen zu verabreden. Schon jetzt klaffen in den Haushalten der Städte große Löcher und es muss an vielen Ecken und Enden gespart werden. Das spüren die Menschen. Auch dieses Jahr rechnen wir jetzt schon mit einem Rekorddefizit in zweistelliger Milliardenhöhe bei den Kommunen." Lewe forderte:
"Deshalb dürfen keine steuerpolitischen Maßnahmen von den Koalitionären verabredet werden, die zu Einnahmeausfällen bei den Kommunen führen. Ganz im Gegenteil: Für konkrete Politik für die Menschen brauchen wir einen höheren Steueranteil für die Städte."
Viele Vorgaben von Bund und Ländern gehören auf den Prüfstand, weil sie in den Städten unnötig Personal binden, das für andere wichtige Aufgaben dann nicht zur Verfügung steht. "Die erste Bewährungsprobe dafür bietet die Verteilung des Sondervermögens. Dafür sind ein Bundes- und entsprechende Landesgesetze nötig. Was wir nicht brauchen, sind komplizierte Förderprogramme, für die wir Projektmanager einstellen müssen. Am einfachsten wäre es, wenn die Städte aus dem Sondervermögen feste Budgets bekommen würden, um das zu machen, was vor Ort notwendig ist", so Lewe. Nach einem entsprechenden Bundesgesetz müssen dann auch die Länder möglichst unkomplizierte Landesgesetze aufstellen und dafür sorgen, dass unbedingt der allergrößte Teil der Mittel vor Ort in den Kommunen ankommt.
Infrastruktur-Projekte beschleunigen
Damit die Investitionen vor Ort möglichst schnell wirken können, muss an vielen Stellschrauben gedreht und müssen viele Verfahren schlanker werden. Regelungen, die bei der Umsetzung viel Zeit rauben, müssen auf den Prüfstand. Als Beispiel nannte Katja Dörner, Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn:
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Costa Belibasakis
"Die in der vergangenen Legislatur nicht mehr unter Dach und Fach gebrachte Novelle des Baugesetzbuches sollte wieder aufgegriffen werden. Sie hätte den Städten an vielen Stellen Bauen ohne komplizierte Planungsverfahren ermöglicht."
Dörner weiter: "Außerdem müssen Bund und Länder die Kommunen so ausstatten, dass kommunale Behörden ausreichend Personal für die nötigen Prüfungen und Genehmigungen einstellen können. Und nicht zuletzt brauchen wir möglichst durchdigitalisierte Verfahren und praxisnahe Gesetze."
Ein weiterer Bereich, der bei Diskussionen um schnellere Verfahren häufig im Fokus steht, ist der Naturschutz. Auch hier hat der Deutsche Städtetag konkrete Vorschläge. "Klimaschutz, Klimaanpassung und der Erhalt der Biodiversität sind zentrale Zukunftsaufgaben. Wir wollen zeigen, dass Beschleunigung von Infrastruktur-Projekten und Naturschutz in Einklang gebracht werden können. Wir wollen beides zusammendenken. Es gibt Beispiele, wie wir beides gleichzeitig effektiver machen können", so Dörner.
Dazu gehört etwa das Bereitstellen von Kompensationsflächen. Schon heute gilt: Wer mit Baumaßnahmen in die Landschaft eingreift, muss solche Ersatzflächen an anderer Stelle vorhalten. Die Suche nach einzelnen passenden Kompensationsflächen zum Beispiel für Baumpflanzungen oder Grüngürtel kann allerdings Jahre dauern. Eine Alternative: Bauträger könnten sich an eine sogenannte Flächenagentur oder einen Ökokontoanbieter wenden. Diese Dienstleister bevorraten ökologisch wertvolle Flächen und können diese schnell zur Verfügung stellen. Das ist grundsätzlich heute schon möglich, muss aber praktikabler werden. Die Vizepräsidentin forderte:
"Der Bund sollte bei geeigneten Flächen ein Vorkaufsrecht für solche Anbieter schaffen, damit passende Kompensationsflächen für Infrastruktur-Projekte gesichert werden können."
Dörner weiter: "Dadurch können dann auch größere, zusammenhängende Flächen zur Kompensation entstehen. Das ist dann auch ein Plus für den Naturschutz. Statt vieler kleinteiliger Einzelflächen ist ein großer zusammenhängender Bereich deutlich besser für Flora und Fauna."
Eine weitere Möglichkeit der Vereinfachung, die mit Blick auf Natur- und Artenschutz vertretbar wäre: Wenn bestehende Brücken, Tunnel und Straßen saniert werden oder an gleicher Stelle ein Ersatzneubau entsteht, könnte auf eine erneute natur- und artenschutzrechtliche Prüfung verzichtet werden. Dörner sagte:
"Alles, was das Potenzial hat, Infrastruktur-Projekte zu beschleunigen, sollten wir uns genau ansehen. Da sind für uns definitiv auch Bund und Länder in der Pflicht. Sie müssen für durchgängig digitale Prozesse und praxisfreundliche Gesetze sorgen. Die Kommunen und ihre Verwaltungen müssen spürbar entlastet werden."