Wachstumschancengesetz deutlich nachbessern
Die Städte appellieren an die Bundesländer, dem Wachstumschancengesetz im Bundesrat nicht zuzustimmen. Beim vorliegenden Gesetzentwurf muss noch deutlich nachgesteuert werden, um die kommunalen Steuerausfälle erheblich zu verringern. Andernfalls würden die Investitionen der Städte weitgehend ausgebremst. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, sagte:
"Wir unterstützen ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, mit dem Wachstumschancengesetz die Konjunktur anzukurbeln und die Wirtschaft zu stärken. Konjunktur- und Wachstumspolitik sind aber vor allem Aufgabe des Bundes, deswegen muss das Wachstumschancengesetz auch vorrangig aus Bundesmitteln finanziert werden. Der aktuelle Gesetzentwurf sieht aber etwas ganz anderes vor. Die Kommunen verlieren einen mehr als doppelt so hohen Anteil ihrer Steuereinahmen wie Bund und Länder. Das ist das falsche Verhältnis."
Steuerausfälle für die Kommunen von über 9 Milliarden Euro im Bundesrat stoppen
"Die Länder sollten das Wachstumschancengesetz im Bundesrat vorerst stoppen. Bei den geplanten massiven Steuerausfällen für die Kommunen darf es nicht bleiben. Da muss noch einmal deutlich nachgesteuert werden",
forderte der Städtetags-Präsident. Insgesamt sieht das Wachstumschancengesetz in den Jahren 2024 bis 2028 zusätzliche Steuerausfälle von 9,04 Milliarden Euro bei den Kommunen vor. Das wird dafür sorgen, dass das kommunale Defizit bereits im kommenden Jahr die Grenze von 10 Milliarden Euro überschreitet.
"Steuerausfälle für die Kommunen in dieser Größenordnung wären angesichts des Investitionsbedarfs in den Städten wirklich verhängnisvoll. Wir müssen in den kommenden Jahren massiv investieren. Auf die Städte kommen immer mehr und immer neue Aufgaben zu. Bei Wärmewende und kommunaler Wärmplanung, beim Gebäudeenergiegesetz und für Klimaanpassung sowie bei der Integration von Geflüchteten stehen wir vor echten Mammut-Aufgaben. Der Investitionsrückstand der deutschen Kommunen liegt schon jetzt bei über 165 Milliarden Euro. Wir brauchen deutlich mehr, nicht weniger Geld, um all diese wichtigen Zukunftsaufgaben zu stemmen. Das Wachstumschancengesetz in seiner jetzigen Form würde kommunale Investitionen weitgehend ausbremsen", so der Städtetagspräsident.
Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister unterstützen die Forderungen
Katja Dörner, Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn und Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages:
"In diesen herausfordernden Zeiten wäre eine starke Unterstützung der Städte angezeigt. Stattdessen lässt der Bund die Kommunen allein mit einer ungelösten Altschuldenfrage, wackeligen Finanzierung des Deutschlandtickets, unzureichenden Finanzierung von Integrationskosten und eigener Vorhaben wie - akut - dem Wachstumschancengesetz. Diese Austeritätspolitik inmitten multipler Krisen gefährdet die lokale Daseinsvorsorge und damit letztendlich das Vertrauen in Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft."
Uwe Conradt, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Saarbrücken:
"Der Bund verschließt die Augen vor der Realität. Uns Kommunen laufen die Ausgaben infolge von Inflation, Tarifsteigerungen und einem Anstieg der Sozialausgaben davon. Dazu kommen neue Ausgaben durch neue Aufgaben wie beim Ganztagsschulausbau und dem Klimaschutz. Gleichzeitig senkt der Bund Steuern und nimmt den Kommunen Einnahmen. Es reicht, wir können das nicht mehr wegstecken."
Dirk Hilbert, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden:
"Grundsätzlich ist es richtig, dass die Bundesregierung versucht, die lahmende Konjunktur im Land anzukurbeln. Dies darf aber keinesfalls auf dem Rücken der Kommunen geschehen. Schon jetzt tragen die Städte die Hauptlast bei zahlreichen Themen: Egal ob Wohngeldreform, Unterbringung von Geflüchteten, Kostensteigerung im ÖPNV bis zu der ungelösten Krankenhausfinanzierung. Jeder Euro weniger Gewerbesteuer wird die Stadtgesellschaften vor Zerreißproben stellen."
Constance Arndt, Oberbürgermeisterin der Stadt Zwickau:
"Gerade in diesen Zeiten sind Kommunen und Landkreise durch hohe Ausgaben für Integrationsaufgaben, soziale Aufgaben und gestiegene Kosten bei Personal und Sachausgaben an ihren Leistungsgrenzen oder schon darüber hinaus. Einnahmeverluste in den Kommunen werden Bürger unmittelbar und direkt spüren! Daher erwarte ich, dass die Ausgabenpolitik und das Beschließen neuer Aufgaben durch den Bund gegenfinanziert werden, damit wir vor Ort unserer Verantwortung für die Menschen gerecht werden können!"
Dieter Reiter, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München:
"Die Landeshauptstadt München steht vor gigantischen Herausforderungen: beim ÖPNV, dem Wohnungsbau, beim Bau von Schulen und Kitas. Steuerausfälle im dreistelligen Millionenbereich, wie sie das Wachstumschancengesetz bringt, können wir ohne Kompensation vom Bund nicht verkraften. Wir Kommunen packen die Zukunft an, das Wachstumschancengesetz drosselt den kommunalen Motor erheblich."
Christoph Tesche, Bürgermeister der Stadt Recklinghausen:
"Das Wachstumschancengesetz bringt in der aktuell angedachten Form vor allem finanzielle Belastungen für Länder und Kommunen, da diese zwei Drittel der Kosten übernehmen sollen. Das ist inakzeptabel. Der Gesetzesentwurf sieht für Gemeinden massive Steuermindereinnahmen vor. Geld, das Kommunen dringend benötigen. Daher fordern wir, dass der Bund den Entwurf nachbessert oder die Länder im Bundesrat nicht zustimmen."
Wachsende Schieflage der kommunalen Haushalte
Auch ohne das Wachstumschancengesetz geraten die kommunalen Haushalte immer stärker in eine dauerhafte, strukturelle Schieflage. Das zeigt die neue Publikation "Stadtfinanzen 2023" des Deutschen Städtetages. Bereits das Inflationsausgleichgesetz 2022 und das Jahressteuergesetz 2022 führen allein im Jahr 2024 bei den Städten und Gemeinden zu Mindereinnahmen von über 5 Milliarden Euro. Mit dem Wachstumschancengesetz und weiteren geplanten oder bereits beschlossenen Gesetzen summieren sich die Steuerausfälle für die Kommunen von 2024 bis 2027 auf über 30 Milliarden Euro. Diese aktuellen steuerpolitischen Entwicklungen auf Bundesebene lassen befürchten, dass eine stabile Entwicklung des Steueraufkommens von Städten und Gemeinden nicht mehr zu den Prioritäten des Bundes gehört.