Fingerspitzengefühl und Kreativität gefragt
"Die Städte stehen auch weiter zu ihrer Verantwortung, geflüchteten Menschen Schutz und Zuflucht geben. Wir stoßen bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten aber zunehmend an unsere Grenzen. Die Situation ist von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich.
Vielerorts wird es aber immer schwieriger, neue Gebäude oder Flächen für Notunterkünfte zu finden. In vielen Städten sind Geflüchtete längst wieder in Messehallen und Zelten untergebracht, teilweise auch wieder in Turnhallen. Immer wieder neue Unterbringungsmöglichkeiten zu suchen, ist für die Städte zum Alltagsgeschäft geworden, bei dem viel Fingerspitzengefühl in der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern gefragt ist, aber auch viel Kreativität – weil wir uns zusätzliche Flächen oder Gebäude nicht einfach backen können.
Wir müssen alle gemeinsam – Bund, Länder und Kommunen – dafür sorgen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Akzeptanz für die Aufnahme von Geflüchteten in allen Teilen der Gesellschaft erhalten bleibt. Wir nehmen aber schon wahr, dass diese Akzeptanz brüchiger wird. Die kommunalen Aufnahmekapazitäten für Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern sind vielerorts erschöpft.
Deshalb sagen wir seit Langem:
Bund und Länder müssen hier viel mehr in die Verantwortung. Die Länder müssen deutlich mehr Plätze in Landeseinrichtungen schaffen und auch der Bund muss in einem mit Ländern und Kommunen abgestimmten Konzept eigene Unterbringungskapazitäten zur Erstaufnahme schaffen.
Das würde in den Städten Druck vom Kessel nehmen und uns Zeit verschaffen, langfristige Lösungen zu finden. Die kommunale Ebene hat im Vergleich zu Ländern und Bund weder Einfluss darauf, wie viele Menschen nach Deutschland kommen, noch darauf, wann sie zu uns kommen. Gleichzeitig sind wir es, die einen Großteil der Unterbringung organisieren – ohne echte Planbarkeit. Aber die brauchen wir. Die Unterbringung ist schließlich nur der allererste Schritt. Wir wollen die Menschen nicht nur unterbringen, sondern auch integrieren. Integration ist mehr als ein Dach über dem Kopf und ein Teller Essen. Da geht es um Integrations- und Sprachkurse, um zusätzliche Schul- und Kitaplätze, um Integration in den Arbeitsmarkt und nicht zuletzt auch um zusätzliche Wohnungen.
Nicht wenige Geflüchtete sind auch noch nach Jahren in Notunterkünften untergebracht, weil in vielen Städten der Wohnungsmarkt ohnehin angespannt ist. Aber Zelte und Messehallen dürfen ja für Menschen, die absehbar längere Zeit bei uns in Deutschland bleiben, keine Dauerlösung sein.
Deshalb müssen wir auch übers Geld reden. Die Mittel, die die Städte von Bund und Ländern für die Flüchtlingsunterbringung bekommen, reichen vorne und hinten nicht aus.
Wir brauchen endlich ein verlässliches und vor allem dauerhaftes System der Flüchtlingsfinanzierung – ein System, das sich dynamisch den Flüchtlingszahlen anpasst.
Dann müssen wir nicht jedes halbe Jahr wieder wie Bittsteller bei Bund und Ländern auftreten und hätten endlich Planungssicherheit. Die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten ist für uns eine Daueraufgabe, die auch dauerhaft finanziert sein muss.
Dass wir endlich ein dauerhaftes System der Flüchtlingsfinanzierung bekommen, ist aber noch aus einem anderen Grund wichtig: Bei den Verhandlungsrunden von Bund und Ländern zu Flüchtlingsfragen geht es aktuell häufig nur um die nächste Finanzierungsrunde. Das verhindert, dass Bund und Länder endlich auch einmal über all die Themen mit uns sprechen, die für erfolgreiche Integration notwendig sind. Wir brauchen endlich ein umfassendes und dauerhaft gültiges Konzept für die Unterbringung, aber auch für die Integration von Geflüchteten. Kurzfristig eine Unterkunft für immer mehr Schutzsuchende zu finden, ist schon eine große Herausforderung. Es geht aber um viel mehr. Es geht um Kita- und Schulplätze, Wohnraum, Personal in den Ausländerbehörden, Personal für Integrationsaufgaben." Dedy weiter:
"Von der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz im November muss neben verbindlichen finanziellen Zusagen für die Städte endlich auch das Signal ausgehen, dass ein Prozess für ein langfristiges und dauerhaftes Konzept zur Unterbringung und Integration von Geflüchteten gestartet wird. In diesen Prozess müssen auch die Städte einbezogen werden."
Zu Kapazitäten in Landeseinrichtungen sagte Städtetags-Hauptgeschäftsführer Dedy:
"In Nordrhein-Westfalen leitet das Land Geflüchtete jetzt wieder direkt an die Kommunen weiter, weil die Landeseinrichtungen zur Erstaufnahme weitgehend belegt sind. Das kam für uns nicht ganz überraschend, denn die Städte in NRW haben seit vielen Monaten gefordert, dass das Land die Zahl der Plätze in Landeseinrichtungen auf 70.000 Plätze erhöht. Aber selbst das vom Land selbst gesteckte Ziel, wenigstens 34.500 Plätze zu schaffen, wurde nicht erreicht. Derzeit gibt es immer noch nur 30.000 Plätze in Landeseinrichtungen. Das reicht bei Weitem nicht aus, wie sich jetzt deutlich gezeigt hat.
Das Land NRW verweist nun darauf, dass teils die Bevölkerung oder die Kommunalpolitik vor Ort keine Landeseinrichtungen akzeptieren wollen, wenn ein Standort gefunden ist. Diese Begründung ist aber zu simpel. Das Thema ist komplex. Denn auf der anderen Seite erreichen uns etliche Rückmeldungen aus Städten in NRW, dass das Land Gebäude oder Flächen ablehnt, die von den Kommunen als Standorte für Landeseinrichtung angeboten werden – aus Gründen, die wir nicht immer nachvollziehen können. Wir wollen aber auch gar kein 'Schwarzer-Peter-Spiel' starten.
Das Beispiel NRW zeigt einfach: Auch die Länder stehen bei der Suche nach geeigneten Standorten für die Unterbringung von Geflüchteten vor denselben Herausforderungen, vor denen wir als Städte Tag für Tag stehen. Das ist für uns Alltag. Deshalb sollten sich die Länder regelmäßig mit den Kommunen an einen Tisch setzen und schauen, welche Lösungen es für die Unterbringung gibt.
Sicherlich ist es für Länder und Kommunen nicht einfach, überall die Akzeptanz für einen neuen Standort einer Landeseinrichtung bei den Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen. Manchmal machen es sich die Länder aber auch unnötig schwer." Dedy sagte:
"Teilweise werden die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht frühzeitig eingebunden, wenn ein Land Gespräche mit Dritten über Immobilien auf ihrem Stadtgebiet führt. Wenn dann die Information durchsickert, ist das Kind oft in den Brunnen gefallen und die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich nicht mitgenommen. Die Kommunen sollten in solchen Fällen viel früher eingebunden werden. Sie können helfen, die notwendige Akzeptanz herzustellen."