"Wir müssen in Zukunft häufiger gewohnte Pfade verlassen"
Frage: Herr Dedy, Energiekrise, Ukraine-Krieg, Inflation, Verkehrswende plus nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft: Wie blicken die Städte angesichts dieser vielen Herausforderungen in die Zukunft?
Dedy: Mit Realismus, aber vor allem mit Zuversicht. Denn das erwarten die Menschen von uns vor Ort – dass wir die vielen Herausforderungen, die vor uns liegen, angehen und Lösungen finden. Pragmatisch, aber auch mit Weitblick. In der Kommunalpolitik treibt uns der Wunsch, etwas zu gestalten, zu verändern, besser zu machen. Dafür braucht es diese Zuversicht.
Ohne Zuversicht machen wir uns nicht ans Gestalten. Und dafür müssen wir in Zukunft immer häufiger auch mal die gewohnten Pfade verlassen.
Die Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vor einigen Wochen stand unter dem Motto "Gemeinsam neue Wege wagen". Wir haben neue Wege beim Wohnungsbau diskutiert, neue Wege bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit, bei der Digitalisierung und gegen den Fachkräftemangel. Dieser Austausch der Städte untereinander zeigt mir immer wieder: Wir haben vor Ort den Willen und das Know-how, die vielen Transformationsprozesse erfolgreich zu meistern. Kommunalpolitik hat allen Grund, selbstbewusst zu sein.
Die Städte sind bei der nachhaltigen Transformation wichtige Akteure vor Ort. Was benötigen sie, um die damit verbundenen vielfältigen Aufgaben zu stemmen?
Ich könnte jetzt sagen: Geld. Und ja: Wir brauchen bei all den Mammutaufgaben hin zu Nachhaltigkeit und Klimaneutralität auch eine deutlich bessere Finanzkraft der Städte. Das reicht aber nicht, wir brauchen noch etwas anderes: Beinfreiheit.
Brauchen wir einen gesetzlichen Rahmen von Bund und Ländern? Klar. Aber Transformation geht nur vor Ort, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern. Dafür sind wir die Experten.
Ich bin überzeugt, dass wir bei der nachhaltigen Transformation in Deutschland nur erfolgreich sein werden, wenn wir den Gedanken der Subsidiarität neu beleben. Heute ist es doch oft so: Bund und Länder definieren Aufgaben, die Städte führen sie aus. Das ist kein Zukunftsmodell. Wir brauchen zwar hier und da einen gesetzlichen Rahmen, wir brauchen aber auch lokale Spielräume, um die Transformation passgenau zu gestalten. Dafür müssen sich Bund und Länder ehrlich machen: Wer kann die Verkehrspolitik und damit die Verkehrswende vor Ort gestalten? Das sind die Städte. Und wer baut die lokale Energieversorgung klimaneutral aus und um? Das sind auch wir – gemeinsam mit unseren Stadtwerken.
Bund und Länder sollten sich viel häufiger mit den Kommunen an einen Tisch setzen, unsere Erfahrungen, unsere Ideen, unsere Zukunftspläne aufgreifen und dann in praxistaugliche Gesetze gießen. Das würde die Transformation vor Ort schneller und besser machen.