"Ein Inkrafttreten schon zum 1. Januar 2024 sehen wir kritisch"
Helmut Dedy zur Situation Ausländer- bzw. Einbürgerungsbehörden anlässlich der Bundeskabinettsentscheidung zu vereinfachten Einbürgerungen:
"Der Druck auf die Ausländerbehörden wächst seit Jahren. Das liegt zum einen an der hohen Zahl von Geflüchteten, die nach Deutschland kommen. Mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine, mehrere hunderttausend Menschen in diesem Jahr aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und anderen kriegs- und krisengebeutelten Ländern – das sorgt bei den Behörden vor Ort für hohe Fallzahlen.
Viele dieser Menschen sind vom Aufenthaltsstatus her 'geduldet' und brauchen deshalb immer wieder neue Aufenthaltstitel. Auch das erhöht den zeitlichen Aufwand bei den Ausländerbehörden.
In den vergangenen Jahren wurde das Aufenthaltsrecht außerdem immer komplexer. Anfang des Jahres wurde beispielsweise bereits das Chancen-Aufenthaltsrecht eingeführt. Damit können Menschen, die bisher nur eine Duldung haben, unter bestimmten Umständen eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bekommen. Auch das hat für viele neue Anträge bei den Ämtern gesorgt.
Es ist absehbar, dass die geplante Reform des Staatsbürgerschaftsrechts zu wesentlich mehr Anträgen auf Einbürgerung führen wird. Das sind dann wieder zusätzliche Fallzahlen bei den ohnehin schon stark belasteten Ausländer- und Einbürgerungsbehörden.
Die Städte bemühen sich intensiv, zusätzliches Personal für die Ausländerbehörden zu finden. Das ist angesichts des Fachkräftemangels eine große Herausforderung, die sich nicht immer meistern lässt.
Ein Inkrafttreten der Reform schon zum 1. Januar 2024 sehen wir deshalb sehr kritisch. Wir brauchen mehr Zeit.
Der Bund muss hier für ein realistische Erwartungsmanagement sorgen. In der Öffentlichkeit wird die geplante Reform aktuell so wahrgenommen, dass sie Einbürgerungen nicht nur vereinfacht, sondern auch beschleunigt.
Wenn die Reform aber schon in einem halben Jahr greift und Bund und Länder nicht schnell für eine deutliche Entlastung der Ausländerbehörden sorgen, wird die hohe Anzahl von Neuanträgen zunächst zu langsameren statt schnelleren Bearbeitungen führen.
Es gibt aber eine ganze Menge Stellschrauben, mit denen die Ausländerbehörden entlastet werden könnten. Wir brauchen eine schnelle Initiative des Bundes zur Vereinfachung des Aufenthaltsrechts und der Prozesse in den Behörden.
Es würde zum Beispiel schon viel helfen, wenn Aufenthaltstitel und Visa länger gültig wären und Bescheinigungen nicht immer persönlich übergeben werden müssten.
Im März 2024 laufen zudem die bisherigen Aufenthaltstitel ukrainischer Geflüchteter aus. Dafür brauchen die Städte dringend kurzfristig die Sicherheit, dass die Verlängerung der EU-Massenzustromrichtlinie kommt. Dann müssten die Menschen aus der Ukraine weiterhin kein Asylverfahren durchlaufen und könnten eine Arbeit aufnehmen. Für die die kommunalen Ausländerbehörden wäre das eine große Erleichterung."
Zum Artikel in den "Westfälischen Nachrichten" mit Aussagen von Helmut Dedy