Auftakt zur Hauptversammlung
23.05.2023

Städte fordern langfristige Flüchtlingsfinanzierung

Vizepräsident Burkhard Jung zum Auftakt der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages

Die Städte fordern Planungssicherheit und eine nachhaltige Finanzierung für die Aufnahme von geflüchteten Menschen. Außerdem müssen neue Gesetze praxistauglich und digital umsetzbar sein. Das ist nötig für die Zukunftsfähigkeit des Landes und ein starker Hebel gegen den Fachkräftemangel.

  • Porträtbild von Burkhard Jung, seit 2021 Vizepräsident des Deutschen Städtetages, von 2019 bis 2021 Präsident des Deutschen Städtetages

Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung, sagte zum Auftakt der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages in Köln: "Die Städte wollen geflüchteten Menschen Schutz und Zuflucht geben. Ihre Aufnahme und Integration ist eine der akut größten Herausforderungen für uns als Gesellschaft. Die Städte können das, wir vor Ort finden jeden Tag pragmatische Lösungen, damit Aufnahme und Integration gelingen. Aber wir stehen inzwischen mit dem Rücken zur Wand. Notversorgung in Zelten und Messehallen darf kein Dauerzustand werden."

"Die Städte brauchen Planungssicherheit für den Bau von Unterkünften, für das Vorhalten von Reservekapazitäten, für Sprachkurse, Kita- und Schulplätze. Dafür müssen Bund und Länder einen erheblichen Teil beisteuern. Die Hausaufgaben von Bund und Ländern werden nicht weniger, weil Kriege und Katastrophen auf der Welt weiter Menschen zur Flucht zwingen."

Wichtige Fragen der Finanzierung für die Aufnahme, Versorgung und Integration von Geflüchteten sind weiterhin ungeklärt. Mit Blick auf die Verabredungen beim jüngsten Bund-Länder-Gipfel sagte Jung: "Eine zusätzliche Milliarde Euro hilft für den Moment, gibt aber keine Perspektive. Aus den Enttäuschungen vom Frühjahr müssen Erfolgsmeldungen im Herbst werden."

"Wir brauchen eine langfristige, dynamische Finanzierungsregelung, die sich an das tatsächliche Migrationsgeschehen anpasst. Diese Zielmarke muss ganz oben stehen für die Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler im Juni und November. Wir müssen raus aus dem endlosen Verhandlungsmarathon."

Gut sei, dass das Ausländerrecht vereinfacht und Verfahren digitalisiert werden sollen. "Das wird die Ausländerbehörden spürbar entlasten. Eine zügige Umsetzung dieser Schritte unterstützen die Kommunen ausdrücklich und werden ihre Expertise einbringen." Wichtig sei auch, die Migration besser zu steuern. Grenzkontrollen, Migrationsabkommen und eine bessere Zusammenarbeit der Behörden bei Rückführungen können dabei unterstützen.

Strategien gegen den Fachkräftemangel

Qualifizierte Arbeitskräfte sind die wichtigste Ressource unserer Gesellschaft. Wir brauchen sie, damit unser Land und unsere Städte zukunftsfähig sind. Jung machte deutlich: "Fachkräfte, aber auch Hilfskräfte fehlen an allen Ecken und Enden. Freie Stellen können kaum nachbesetzt werden. Diese Lücken spüren wir im Alltag. Es werden zu wenig Schulen, Kitas und Wohnungen gebaut, zu wenig Kinder betreut und Menschen gepflegt. Die Digitalisierung geht nur langsam voran, Verwaltungsverfahren dauern zu lange und das vorhandene Personal wird über Gebühr beansprucht. Eine einfache Lösung gibt es nicht. Nötig ist ein Maßnahmenbündel mit Qualifizierung, neuen Arbeitsmodellen und Zuwanderung", forderte Jung. Dazu gehören unter anderem:

  • Verwaltungsprozesse digitalisieren und entbürokratisieren: medienbruchfreie Verfahren von Anfang an planen und einheitliche Standards, das spart Personal.
  • Gezielte Arbeitskräfteeinwanderung verstärken: Wir müssen das Ankommen erleichtern und Qualifikationen schnell anerkennen.
  • Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete in den Kommunen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus: Wir sollten denjenigen eine Chance geben, die schon hier sind. Sie sollten leichter eine Arbeitserlaubnis erlangen können, und ihre Qualifikationen müssen einfacher anerkannt werden.
  • Mehr Ausbildungs- und Studienkapazitäten: Ausbilden über Bedarf hinaus beugt späterem Mangel vor, dafür sind gemeinsame Konzepte mit Bund und Ländern nötig. Junge Menschen sollten mit dualer Ausbildung erreicht werden.
  • Moderne und flexible Arbeitsbedingungen: Umbauten von Verwaltungsgebäuden werden auf moderne Arbeitskonzepte ausgerichtet, inklusive mobiler Arbeit.
  • Einfachere und flexiblere Regelungen bei Renten und Pensionseintritt: Nötig ist dafür im öffentlichen Dienst ein modernisiertes und flexibleres Dienstrecht.
  • Quereinstiege erleichtern und unterstützen: Menschen mit Berufskarrieren außerhalb des öffentlichen Dienstes sollten gezielt angesprochen werden und brauchen geeignete Qualifizierungsangebote und leichte Einstiegsmöglichkeiten.

Praxistaugliche und digital umsetzbare Gesetze

Eine Voraussetzung für Zukunftsfähigkeit sowie ein starker Hebel gegen Fachkräftemangel seien außerdem gut umsetzbare Gesetze. Es sei richtig, dass der Bund mit dem Digitalcheck Gesetzesvorhaben auf ihre digitale Praxistauglichkeit überprüfen will. "Der Digitalcheck muss jetzt ernsthaft angewendet werden und darf nicht nur pro forma abgehakt werden.

Wir brauchen durchgängig digitalisierte Verfahren und praxistaugliche Gesetze. Dabei muss der Bund das Wissen der Kommunen rechtzeitig bei der Gesetzgebung mit einbinden.

Für zentrale Verwaltungsverfahren, wie das Beantragen von Pässen, für Führerscheine oder Führungszeugnisse sollte der Bund auch zentrale IT-Lösungen bereitstellen. Wenn diese von allen Städten genutzt werden können, muss sich nicht jede Stadt um individuelle Lösungen kümmern. Das spart Zeit und Kraft, die für die drängenden Aufgaben vor Ort gebraucht wird", erklärte Jung.

Überstürzte Fristen für Stellungnahmen der Kommunen von wenigen Tagen oder Stunden für komplexe Gesetze seien nicht nur schlechter Stil, sondern kontraproduktiv, so Jung.

Pressebilder

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