Bundesregierung sollte Gewinnverschiebung stoppen
Vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftsdaten sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, gegenüber Welt am Sonntag:
"Einen flächendeckenden Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen aufgrund des Strukturwandels befürchten wir nicht. Schließlich bedeutet Strukturwandel ja nicht Deindustrialisierung.
Wir können aber nicht ausschließen, dass es mancherorts zu regionalen Einbrüchen von Steuereinnahmen kommen kann – insbesondere dann, wenn sich in einer Region viele Unternehmen konzentrieren, die der Strukturwandel besonders fordert. Genau deshalb muss die Transformation vor Ort gut begleitet werden.
Und da spielen wir als Kommunen eine wichtige Rolle. Wir haben in Deutschland eine gute Infrastruktur für den Mittelstand und die Industrie. Die müssen wir erhalten und ausbauen – und dafür muss der Staat investieren. Die Bundesregierung hat sich ambitionierte Transformationsprojekte vorgenommen: Energiewende, Wärmewende, Verkehrswende. Das unterstützen wir. Die Städte haben sich beim Thema Klimaneutralität längst auf den Weg gemacht, denn erfolgreiche Transformation entscheidet sich vor Ort.
Bund und Länder müssen dann aber auch dafür sorgen, dass wir als Kommunen die notwendigen Mittel haben. Investitionen in Transformation und Infrastruktur brauchen wir nicht zuletzt auch, um der Wirtschaft gute Rahmenbedingungen vor Ort bieten zu können. Und jeder Euro an staatlichen Investitionen zieht im Schnitt etwa sieben Euro private Investitionen nach sich. Davon profitieren dann auch der Mittelstand und das Handwerk in unseren Städten.
Natürlich müssen wir auch auf die finanzielle Ausstattung der Städte schauen. Der Deutsche Städtetag fordert einen sanften Ausbau der Gewerbesteuer – zum Beispiel, indem Freiberufler mit einbezogen werden. Da scheint der Reformwille auf Bundesebene aber nicht besonders groß zu sein.
Ein drängenderes Problem sind für die Städte aber die schädlichen und aggressiven Steuergestaltungen einiger Unternehmen, die drastisch zugenommen haben – und bei wachsendem wirtschaftlichen Druck weiter zunehmen könnten. Immer mehr Unternehmen verlagern steuerliche Gewinne auf dem Papier in innerdeutsche Steueroasen, also Gemeinden mit besonders niedrigen Hebesätzen. Der Schaden für die öffentliche Hand ist groß, gerade für die Kommunen. Da sollte die Bundesregierung auf jeden Fall ran und diese Form der Gewinnverschiebung stoppen.
Wenn wir den Unternehmen vor Ort gute Rahmenbedingungen bieten wollen, sollten wir auch darüber reden, wie wir Abläufe erleichtern und Bürokratie abbauen können. Wir müssen Ansiedlungen und den Aufbau neuer Standorte erleichtern. Die Städte würden zum Beispiel gerne schneller neue Gewerbeflächen ausweisen können. Das dauert aktuell oft zu lang und könnte deutlich einfacher sein. Wenn zum Beispiel bestehende Gewerbeflächen erweitert werden sollen oder ein zusätzlicher Geschäftszweig auf der bestehenden Fläche hinzukommt, wäre es hilfreich, wenn Unternehmen dafür nicht komplett neue Verfahren durchlaufen müssten. Außerdem muss die Vergabe öffentlicher Aufträge für die Kommunen einfacher werden, denn auch das hilft der Wirtschaft vor Ort. Der Schwellenwert für Direktaufträge, also Aufträge, die ohne Ausschreibung laufen können, sollte angehoben werden. Wenn dann noch die Nachweis- und Begründungspflichten bei öffentlichen Aufträgen reduziert würden und wir einfacher an Generalplaner vergeben könnten, wäre schon viel geholfen.
Und nicht zuletzt sollte der Bund auch einen Blick darauf werfen, wie wir die Unternehmen vor Ort angesichts hoher Energiepreise entlasten können. Eine einfache und schnell wirksame Maßnahme wäre, die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau abzusenken. Dadurch würde der Nettopreis für Strom deutlich sinken.
All das sind Stellschrauben, mit denen wir Unternehmen helfen und sie an unseren Standorten halten können."
Zum Artikel mit den Aussagen von Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy auf www.welt.de