Verantwortung nicht einseitig den Städten zuschieben
Der Deutsche Städtetag fordert, dass strengere Grenzwerte für saubere Luft in der geplanten EU-Luftqualitätsrichtlinie gleichzeitig auch an verschärfte Vorgaben zu reduzierten Emissionen gekoppelt werden. Denn Schadstoffe müssen an der Quelle bekämpft werden. Dafür müssen Bund und Länder sich bei der EU stark machen. Die Städte warnen davor, die Verantwortung für saubere Luft einseitig den Städten zuzuschieben und lehnen ein Sammelklagerecht und individuelle Schadenersatzansprüche gegen die Städte ab.
Nach virtuellen Sitzungen des Präsidiums und des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster:
"Saubere Luft ist lebenswichtig. Die Städte in ganz Deutschland haben in den vergangenen Jahren viele Hebel in Bewegung gesetzt, um Luftschadstoffe zu reduzieren. Und das mit Erfolg: Die gültigen Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub werden inzwischen nahezu flächendeckend eingehalten."
Lewe weiter: "Die Städte haben etwa Tempolimits verschärft, Fahrspuren reduziert, vergrößern Frischluftschneisen, fördern den Rad- und Fußverkehr und bauen den ÖPNV aus."
Wenn die EU nun plant, die Luftqualität weiter zu verbessern, sind alle gefordert, die tatsächlich Emissionen produzieren – und das sind nicht in erster Linie die Städte selbst. "Vor allem die Industrie, Automobilhersteller, Energiewirtschaft und Landwirtschaft tragen erheblich zur Luftverschmutzung bei. Sie müssen ihre Emissionen drastisch reduzieren, denn Schadstoffe lassen sich am besten an der Quelle vermeiden.
Allein an den Grenzwerten in den Städten zu schrauben, ohne die Emissionsgrenzwerte für die unterschiedlichen Verursacher zu verschärfen, ergibt keinen Sinn.
Es muss deshalb nachgeschärft werden bei der Industrieemissions-Richtlinie, bei den EURO-Normen für neue Fahrzeuge und für die Landwirtschaft. Dafür müssen sich Bund und Länder bei der EU starkmachen", so Lewe.
In Kürze beginnt das so genannte Trilog-Verfahren zur Richtlinie zwischen Europäischem Rat, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament. Die EU-Kommission will die Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub in der Luft bis 2030 noch einmal halbieren. Das EU-Parlament fordert sogar, die noch niedrigeren Grenzwerte der WHO bis 2035 verpflichtend zu machen. Das werden viele Städte in diesem Zeitraum nicht schaffen können. Die Bundesregierung muss sich im Europäischen Rat für eine Lösung stark machen, die für die Städte auch umsetzbar ist.
Die Städte bekennen sich ganz klar zu Gesundheits- und Umweltschutz, aber die Verantwortung zur Luftreinhaltung kann nicht automatisch bei ihnen abgeladen werden. Die Richtlinie darf nicht dazu führen, dass Bürgerinnen und Bürger individuelle Schadenersatzansprüche gegen die Städte geltend machen, obwohl die Kommunen selbst kaum Einfluss auf die Emissionen haben. Der Städtetagspräsident sagte:
"Besonders problematisch sehen wir die Einführung eines Sammelklagerechts für Schadenersatzansprüche. Wir haben die große Sorge, dass die Städte erneut mit Klagen und Verfahren überzogen werden, ohne selbst vor Ort Einfluss auf den Schadstoffausstoß von Industrie, Fahrzeugen oder Landwirtschaft nehmen zu können."
Die Luftqualität hängt von vielen örtlichen und überörtlichen Begebenheiten und geographischen Faktoren ab. Liegt eine Stadt zum Beispiel an einem Fluss mit viel Schiffsverkehr, wird es allein mit örtlichen Maßnahmen niemals gelingen, Grenzwerte einzuhalten.
"Die ohnehin vorhandene Hintergrundbelastung allein reicht aus, dass in vielen Städten die vom EU-Parlament für 2030 und 2035 geplanten Grenzwerte überschritten werden – ohne dass auch nur ein Autoauspuff oder Hausschornstein in der Stadt dazu beitragen." Lewe sagte:
"Wenn Grenzwerte absehbar nicht zu halten sind, müssen gemeinsam mit den Ländern und dem Bund Maßnahmen entwickelt werden – und das mit ausreichend zeitlichem Vorlauf."