Deutschland muss krisenfester werden
Der Deutsche Städtetag fordert Bund und Länder auf, gemeinsam das Katastrophen- und Krisenmanagement voranzutreiben. Das Wichtigste sei jetzt Stabilität: Deutschland müsse krisenfester werden. Die Entlastungen mit der Strom- und Gaspreisbremse brauchen einen gesetzlichen Rahmen. Für eine bessere Versorgungssicherheit müssen außerdem die erneuerbaren Energien viel schneller ausgebaut und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.
Das machte der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, nach Sitzungen von Präsidium und Hauptausschuss des kommunalen Spitzenverbandes in Hannover deutlich:
Wir brauchen Stabilität
Die angekündigte Dezemberhilfe und die Preisdeckel für Strom und Gas seien gute Instrumente, um die Belastungen der Menschen in Grenzen zu halten, sagte Lewe:
"Die Zeit drängt ungemein. Das Versprechen der Preisbremsen für Strom und Gas muss jetzt umgehend konkret werden. Wir halten es für richtig, die Preisbremsen erst zum 1. März einzuführen, dann aber rückwirkend zum 1. Januar greifen zu lassen. Gas- und Strompreisbremse müssen dabei rechtssicher und operativ umsetzbar sein. Die Städte erwarten, dass die Gaspreisbremse auch kommunale Einrichtungen entlastet. Wo diese Entlastungen und auch die Härtefallregelung des Bundes nicht greifen, müssen die Länder zusagen, dass sie helfen. Betroffene Einrichtungen, besonders im Sozial- und Jugendbereich, aber auch Vereine, Sport und Kultur brauchen dann die Unterstützung der Länder."
Die Städte bringen auch selbst als Teil der Solidargemeinschaft erhebliche eigene Mittel in der Krise ein.
Vorbereitung auf Krisenlagen und Blackout
Die Städte bereiten sich auf den Ernstfall vor und spielen mit den Krisenstäben verschiedene Szenarien durch. Abläufe werden geübt, Ansprechpersonen aktualisiert, technische Voraussetzungen geprüft: Was kann abgeschaltet werden, wenn eine Überlastung des Netzes droht? Prioritäten werden gesetzt, um im Notfall sehr schnell entscheiden zu können. Viele Städte schaffen für vulnerable Gruppen Anlaufstellen, sogenannte Leuchttürme, die im Ernstfall in Betrieb genommen werden können. Inzwischen sind zwar die Gasspeicher voll, aber Risiken bleiben, betonte Lewe:
"Es sieht im Moment so aus, dass wir beim Gas mit Ach und Krach durch den Winter kommen. Aber Fragen bleiben: Spielt das Wetter mit? Wie erfolgreich sparen wir Energie ein? Beim Strom müssen wir uns auf Blackouts vorbereiten – sie können wenige Minuten dauern, in schlimmen Fällen aber auch mehrere Stunden. Auch Cyberangriffe oder Sabotage auf kritische Infrastruktur sind nicht auszuschließen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Deutschland insgesamt krisenfester wird. Es geht darum, unsere Lebensgrundlagen vor langanhaltenden Krisen zu schützen."
Die Resilienzstrategie des Bundes sei ein guter Anfang. Auch das geplante Dachgesetz zum Schutz der kritischen Infrastruktur ist sinnvoll. Jetzt erwarten die Städte, dass der Bund konkrete Leitlinien und Anforderungen für kritische Infrastrukturen erarbeitet und die Expertise der Städte dabei einbezieht.
Die Anforderungen an den Katastrophenschutz der Städte wachsen mit den komplexen Gefahrenlagen deutlich. Wir brauchen mehr Personal für Krisenstäbe und Feuerwehren, Notstromaggregate, einen Vorrat an Treibstoffen. Kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser und Wasserversorgung müssen aufrechterhalten werden. Aber auch der kommunale Katastrophenschutz kann an Grenzen stoßen. Einen langanhaltenden Ausfall der Energieversorgung über viele Stunden können die Städte allein nicht schaffen. Deshalb müssen Bund und Länder mit den Kommunen viel stärker in ein gemeinsames Risiko- und Krisenmanagement eintreten.
"Wir können aus der Corona-Pandemie lernen und Krisenstrukturen stärken. Umso unverständlicher ist es, dass der Bund laut Haushaltsentwurf das Budget für das bundesweite Sirenenprogramm kürzt statt aufgestockt", so Lewe.
Auch die Eigenvorsorge der Bevölkerung und das Krisenbewusstsein müssen wachsen, sagte Lewe:
"Wir haben seit Generationen wenig Erfahrung mit existenziellen Krisen. Deshalb müssen wir wieder einüben, was wir an Vorsorge brauchen, ohne panisch zu reagieren. Ratgeber für Notfallvorsorge nach dem Motto ,Sei kein Hamster, sei ein Fuchs' helfen sehr. Das Bundesamt für Katastrophenschutz muss hier zum wichtigsten Player werden, um die Menschen zu erreichen. Das Warn- und Alarmsystem muss noch besser vor konkreten Gefahren warnen."
Der bundesweite Warntag am 8. Dezember biete eine gute Chance, um Abläufe zu üben und die Bevölkerung zu sensibilisieren.
Umstieg auf erneuerbare Energien muss viel schneller gehen
Die aktuelle Krise zeige, wie abhängig Deutschland immer noch von fossiler Energie sei. Deshalb müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien noch schneller gehen. Die Städte wollen entscheidende Schritte hin zu Klimaneutralität gehen können. Der Städtetagspräsident stellte heraus:
"Wir müssen den Turbo für den Ausbau von erneuerbaren Energien einlegen und schneller umsteigen. Sonst werden wir weder die Energiekrise noch die Klimakrise bewältigen. Die Menschen klimaneutral, sicher und bezahlbar mit Energie zu versorgen, steht im Zentrum aller Anstrengungen. Aber der Ausbau erneuerbarer Energien kommt aktuell nur schleppend voran. Bis ein Windpark oder große Solaranlagen tatsächlich Strom liefern, verstreichen mehrere Jahre mit Planung, Genehmigung und Klageverfahren. Wir verlieren Zeit! Der Bund hat zwar inzwischen den gesetzlichen Rahmen verbessert. Aber das reicht noch nicht weit genug. Wir befürchten, dass gerade der Aufbau von Windkraftanlagen und Photovoltaik auf Freiflächen nicht schnell genug Fahrt aufnimmt."
Die Städte diskutieren deshalb weitere Hebel, damit die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut werden können. Die Debatte bei Bund und Ländern muss fortgeführt werden. In Frage kämen zum Beispiel:
- Personaloffensive für alle Planungs- und Genehmigungsbehörden bei Ländern und Kommunen.
- beschleunigtes Verfahren für LNG-Terminals (Flüssiggas) als Blaupause auch für erneuerbare Energien einsetzen, da diese Anlagen ebenfalls im besonderen öffentlichen Interesse liegen.