Verlängerung Teil-Lockdown
04.12.2020

"Wir müssen die Pandemie wieder in den Griff bekommen"

Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetages, im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse (PNP)

Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetags, hält es für richtig, den Teil-Lockdown bis 10. Januar zu verlängern. Das sagte er im Interview mit der PNP.

PNP: Herr Jung, der Lockdown wird bis zum 10. Januar verlängert. Ein sinnvoller Schritt?

Burkhard Jung: Die Lage ist nach wie vor ernst, die Infektionszahlen sind eindeutig zu hoch. Deshalb ist es hart, aber richtig, den Teil-Lockdown fortzusetzen. Diese Worte wähle ich nicht zum ersten Mal. Denn für die Menschen ist es hart und belastend, die Kontakte stark zu reduzieren. Aber das ist richtig, um einen weiteren Anstieg der Infektionszahlen zu verhindern und das Infektionsgeschehen wieder zurückzudrängen. Und es ist richtig wegen der Situation in den Krankenhäusern. Wir machen uns Sorgen wegen der wachsenden Zahl von Patienten auf den Intensivstationen. Wir müssen die Pandemie wieder in den Griff bekommen, das Geschehen darf uns nicht entgleiten.

PNP: Welche Folgen haben die andauernden Schließungen von Gastronomie und Hotels und die Beschränkungen für den Handel für die Innenstädte?

Burkhard Jung: Die Schließungen sind für die betroffenen Betriebe und Einrichtungen ausgesprochen schmerzhaft. Das trifft natürlich auch unsere Innenstädte. Und das treibt uns um. Wir erwarten, dass die Betroffenen schnell und unbürokratisch entschädigt werden. Die versprochenen Hilfen sind bitter nötig, um zu verhindern, dass unsere Innenstädte und Stadtteilzentren flächendeckend veröden. Wegen des Infektionsgeschehens halte ich die Begrenzung der zulässigen Personenzahl im Einzelhandel für nachvollziehbar. Die strengere Regelung trifft den Handel allerdings gerade in der konsumstarken Adventszeit. Das könnte für noch mehr Einzelhändler, die unter den Corona-Folgen leiden, existenzgefährdend werden. Die Einkaufsmeilen sind aber wegen des boomenden Online-Handels schon länger unter Druck. Das hat Corona beschleunigt.

PNP: Mit welchen wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen rechnen Sie für die Kommunen durch die Pandemie?

Burkhard Jung: Die finanziellen Auswirkungen sind dramatisch. In diesem Jahr ist die Gewerbesteuer massiv eingebrochen. Da helfen uns zum Glück die guten Beschlüsse von Bund und Ländern aus dem Konjunkturpaket. Aber 2021 wird es sehr schwer. Den Kommunen droht ein riesiges Defizit von gut 10 Milliarden Euro. Und durch den Teil-Lockdown kann dieses Loch sogar noch tiefer werden. Wir fordern deshalb von Bund und Ländern, auch 2021 und 2022 Mittel für die Stabilisierung der Kommunen bereitzustellen. Sie sollten den Weg aus diesem Jahr fortsetzen und unsere Gewerbesteuerausfälle weiterhin ausgleichen. Sonst müssen wir bei den Investitionen drastisch kürzen. Wenn Bund und Länder den schnellen Aufschwung nach Corona nicht gefährden wollen, müssen sie den Kommunen rasch Hilfe für 2021 und 2022 zusagen.

PNP: Braucht es nicht eine längerfristige Perspektive, um Planungssicherheit zu bekommen?

Burkhard Jung: Die Städte sagen ganz klar: Es ist ungeheuer wichtig, den Menschen eine Perspektive zu geben. Die Menschen wollen wissen, was auf sie in nächster Zeit zukommt. Und die Gastronomen, Kulturschaffenden, andere Soloselbständige und Hoteliers brauchen einen Fahrplan, um gut durch die kommenden Wochen und Monate zu kommen. Wenn sich die Kanzlerin das nächste Mal mit den Ländern trifft, brauchen wir eine Strategie, mit der den Menschen eine Perspektive geboten wird. Es erhöht die Akzeptanz, wenn man absehen kann, was mittelfristig geplant ist. Und die Aussicht auf einen Impfstoff lässt die Menschen mit mehr Zuversicht in das Frühjahr gehen.

PNP: Sind die Vorbereitungen für die Corona-Impfungen und die Einrichtung von Impfzentren auf einem guten Weg?

Burkhard Jung: Die Städte haben sofort begonnen, die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen. Bereits bevor die Landesregierungen ihre Konzepte fertig gestellt haben, sind die Krisenstäbe der Städte auf ihre Partner vor Ort zugegangen und haben vielerorts in so genannten Impfkonferenzen die nächsten Schritte besprochen. Außerdem werden bereits Messehallen oder leerstehende Gebäude als Impfzentrum hergerichtet. Als schwierig erweist sich, dass immer noch nicht geklärt ist, wie der neue Impfstoff gelagert und behandelt werden muss. Hier müssen Hersteller und Bundesgesundheitsministerium schnellstmöglich Klarheit schaffen. Außerdem benötigen wir dringend eine detaillierte Vorgabe, welche Personengruppen genau vorrangig zu impfen sind.

Mit freundlicher Genehmigung der Passauer Neuen Presse, www.pnp.de