Städtetag unterstützt bundesweite Corona-Warnampel
Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister in Leipzig, spricht sich für eine Corona-Warnampel aus.
PNP: Herr Jung, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordert einen Katalog mit bundesweit einheitlichen Maßnahmen bei hohen Corona-Infektionszahlen. Ein sinnvoller Plan?
Burkhard Jung: Ja. Wir fordern in ähnlicher Weise einen Stufenplan. Damit wir Corona im Griff behalten, müssen die Menschen die Regeln gut nachvollziehen können. Da geht immer noch zu viel durcheinander. Bund und Länder müssen sich verständigen, was passiert, wenn die Grenze von 20, 30, 40 und 50 Infektionen je 100 000 Einwohner überschritten wird. Der Plan muss aufzeigen, bei welchem Infektionsgeschehen welche Maßnahmen durch die betroffenen Bundesländer ergriffen werden sollten. Das schafft Akzeptanz, ohne Angst zu schüren.
PNP: Dazu gehören auch bundesweite Corona-Ampeln. Was spricht gegen ein solches Warnsystem?
Jung: Eine Ampel schafft erste Orientierung für die Menschen. Das ist gut. Die regionalen Infektionen sind die wesentliche Schlüsselzahl für grün, gelb und rot. Allerdings müssen wir das Infektionsgeschehen immer auch differenziert betrachten. Es ist ein Unterschied, ob Infektionsgrenzen überschritten werden wegen eines lokal begrenzten Superspreader-Ereignisses und wir die Kontaktpersonen kennen. Oder flammen viele Infektionen an verschiedenen Orten in der Stadt auf und die Kontaktpersonen sind nicht einzugrenzen? Deshalb brauchen die Länder und die Städte auch immer noch Entscheidungsspielraum, was zu tun ist. Zum Beispiel müssen das Maskentragen auf öffentlichen Plätzen oder Obergrenzen bei privaten Feiern verhältnismäßig sein. Wo ich kaum Infektionen habe, macht das keinen Sinn und wird von den Menschen auch nicht akzeptiert werden. Wo die Zahlen hochgehen, kann das anders aussehen.
PNP: Was erwarten Sie noch von dem Corona-Gipfel von Bund und Ländern am heutigen Dienstag?
Jung: Wo einheitliches Handeln sinnvoll ist, sollte das bundesweit gelten. Zum Beispiel brauchen wir für Reiserückkehrer aus Risikogebieten eine einheitliche Teststrategie und einheitliche Quarantäneregeln. Diese stehen zwar seit Ende August auf dem Papier, müssen aber auch überall konsequent umgesetzt werden. Das ist bisher nicht der Fall. Und die Herbstferien beginnen in ein paar Tagen.
PNP: Die Corona-Krise führt zu Einnahmeausfällen der Kommunen. Allein bei der Gewerbesteuer gibt es Milliarden-Einbußen. Reichen die geplanten Hilfen aus?
Jung: Bund und Länder gleichen für dieses Jahr die Gewerbesteuerausfälle aus. Der Bund beteiligt sich auch dauerhaft stärker an den Kosten der Unterkunft für Arbeitslosengeld II-Empfänger. Das sind echte Hilfen. Aber im nächsten Jahr fehlen bundesweit bei der Gewerbesteuer – der wichtigsten kommunalen Steuer – mehr als sechs Milliarden Euro. Deshalb brauchen wir auch für 2021 und 2022 Hilfe von Bund und Ländern in Milliardenhöhe. Sonst müssen die Städte ihre Investitionen zusammenstreichen und der wirtschaftliche Aufschwung kommt ins Stocken.
PNP: Viele Geschäftsinhaber müssen aufgeben. Drohen jetzt ein Ladensterben und eine Verödung der Innenstädte?
Jung: Nicht überall, aber in einem Teil der Städte blinken die Alarmzeichen. Die Corona-Pandemie wirkt da wie ein Katalysator: Sie forciert den Onlinehandel und könnte viele Einzelhändler zur Geschäftsaufgabe zwingen. Die Gastronomie verliert Kunden. Da müssen wir gegensteuern. Wir müssen Leerstände vermeiden und schnell neue Nutzer finden. Wohnen und Arbeiten in Innenstädten wird dafür wieder wichtiger. Es geht um ganzheitliche Innenstadtkonzepte mit allen Beteiligten. Um die Innenstädte zu stärken, sollte die Städtebauförderung von Bund und Ländern deutlich aufgestockt werden.
Mit freundlicher Genehmigung der Passauer Neuen Presse, www.pnp.de