Städte im Defizit
16.04.2024

"Die Finanzen der Kommunen sind das zentrale Thema"

Städtetagspräsident Markus Lewe im Gespräch mit dem Tagesspiegel
  • Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages

Ohne Geld keine Handlungsspielräume: Im Interview mit dem Tagesspiegel hat der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe, über die kommunale Haushaltslage gesprochen. Ein weiteres Thema war der stockende Wohnungsbau.

Tagesspiegel: Die Kommunen sind 2023 ins Defizit gerutscht, erstmals nach vielen Jahren wieder. Woran lag das?

Markus Lewe: In der Hauptsache an der Inflation, aber wir haben auch erhebliche zusätzliche Kosten. Integration ist ein Beispiel. Die Kosten, die den Kommunen entstehen, werden bei weitem nicht durch Bund und Länder abgedeckt. Wir haben erhebliche Aufwendungen, die durch die Unterfinanzierung der Tageseinrichtungen für Kinder entstehen. Wir haben Probleme dort, wo Fachkräfte fehlen und wir auf externe Dienstleister zurückgreifen müssen. Und andererseits haben viele Städte auch sinkende Einnahmen. Die wirtschaftliche Entwicklung macht sich nun auch bei vielen Kommunen bemerkbar, etwa bei Rückgängen in der Gewerbesteuer.

Tagesspiegel: Das klingt dramatisch. Es fehlt also Geld.

Markus Lewe: Manche Städte haben Probleme, ihre Haushalte zu sanieren, sie schieben Liquiditätskredite vor sich her, sie haben ihre kommunale Finanzhoheit praktisch verloren. Die Finanzen der Kommunen sind aber das zentrale Thema, auch mit Blick darauf, wie wir die Demokratie vor Ort sichern. Ein wichtiger Punkt ist hier eine höhere Beteiligung an der Umsatzsteuer. Die erwarten wir, wir fordern sie seit langem. Wir wissen am besten, wie wir das Geld effizient und gut ausgeben können.

Tagesspiegel: Da spielt auch der Wohnungsbau eine Rolle. Sie haben ja sozusagen das Copyright für ein Kernvorhaben der Ampelkoalition: Schon 2018 forderten Sie 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bundesweit. Die Ampel will das umsetzen. Oder wollte es zumindest.

Markus Lewe: Das Schlimme ist, dass es keine 400.000 pro Jahr werden, sondern wahrscheinlich nur 250.000, während mittlerweile insgesamt 800.000 fehlen. Da sind wir wieder bei dem Punkt des Vertrauens der Bürger. Beim Wohnungsbau ist die Gefährdungsstufe Lila erreicht, also die höchste.

Tagesspiegel: Und das bedeutet?

Markus Lewe: Dass es eng wird. Durch die Marktentwicklung bewegt sich fast nichts mehr. Ich erlebe Städte, wo reihenweise Bauträger ausfallen, auf die wir uns verlassen haben. Wir können an der einen oder anderen Stelle mit unseren kommunalen Wohnbaugesellschaften einspringen. Und wir werden sicherlich auch erleben, dass Städte auf die Gewinnausschüttungen durch die Wohnbaugesellschaften verzichten oder möglicherweise sogar etwas zuschießen.

Zum Interview auf www.tagesspiegel.de