"Katastrophenschutz auf Extremwetter einstellen"
PNP: Haben die kommunalen Stellen Frühwarnungen bei der Überflutungskatastrophe unterschätzt? Sind Ihnen Schwachstellen aufgefallen, die rasch angegangen werden müssen?
Burkhard Jung: Wir erleben eine Katastrophe in einem Ausmaß, wie wir es uns nicht vorstellen konnten. Kleine Flüsse haben sich rasend schnell in reißende Ströme verwandelt. Das ist eine Extremlage. Nicht überall war vorab klar, wie viel Regen runterkommen wird. Der Ausfall des Mobilfunknetzes in einigen Regionen hat einen wichtigen Kommunikationskanal abgeschnitten, an den viele Menschen gewöhnt sind. Um vorab vor Gefahren zu warnen, sind Apps wie Nina vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wichtig und natürlich auch Hinweise über Radio, Fernsehen und Social-Media-Kanäle. Was darüber hinaus nötig ist und welche Rolle dabei Sirenen spielen müssen wird jetzt zu klären sein. Der kommunale Bevölkerungsschutz wird stetig weiterentwickelt. Für die Zukunft versprechen zum Beispiel datenbasierte Werkzeuge eine präzisere Vorhersage von Starkwetterereignissen. Nach Abschluss der akuten Hochwasserhilfe müssen alle Fakten auf den Tisch, um Schlüsse aus der Katastrophe zu ziehen.
PNP: Sind die deutschen Strukturen ausreichend, um derartige Katastrophen bei einer Häufung einigermaßen zu bewältigen?
Burkhard Jung: Die Rettungsteams, die Feuerwehr, THW, die Bundeswehr und die Bevölkerung in den Katastrophengebieten haben tagelang alles dafür getan, Menschen zu retten und die Folgen des Hochwassers abzumildern. Dafür verdienen sie hohen Respekt. Die Organisation der Rettungsmaßnahmen durch die kommunalen Akteure und die Bundesländer im Krisenstab war sehr gut. Natürlich bereiten sich die Städte darauf vor, dass in Zukunft Extremwetterereignisse häufiger auftreten. Zur Anpassung an die Klimafolgen gehört auch, den Katastrophenschutz auf die höhere Intensität der Extremwetter einzustellen. Die bestehenden Strukturen müssen dafür gestärkt werden.
PNP: Werden die Städte und Kommunen ihre Bau- und Investitionspolitik ändern müssen, um Katastrophenrisiken zu mindern?
Burkhard Jung: Viele Städte haben bereits Schritte ergriffen, um sich den Folgen von Starkregen, Hochwasser, aber auch Hitzewellen und Dürreperioden anzupassen. Sie wollen die Bevölkerung und die kommunale Infrastruktur vor Klimaveränderungen schützen. Zum Beispiel werden mehr Grünflächen ausgewiesen, Frischluftschneisen geplant und Rückhaltebecken für Hochwasser ausgebaut. Außerdem entwickeln die Städte Gefahrenkarten, die der Bevölkerung zeigen, wo bei Starkregen Überschwemmungen auftreten können. Denn zum Katastrophenschutz gehört auch, die Menschen für die Risiken zu sensibilisieren.
PNP: Wie stark lassen sich die Klimafolgen überhaupt noch eindämmen?
Burkhard Jung: Wenn wir den Schaden durch Extremwetter-Katastrophen begrenzen wollen, müssen wir aktive Klimaanpassung betreiben und gleichzeitig das Ziel der Klimaneutralität so schnell wie möglich erreichen. Der Bund muss beim Klimaschutz größere und schnellere Schritte beschließen. Wir müssen unsere Infrastrukturen, Bau- und Lebensformen an die Folgen des Klimawandels wie Starkregen und Hitze anpassen. Aber wir müssen den Klimaschutz auch so entschlossen vorantreiben, dass die Gefahr solcher verheerender Katastrophen so gering wie möglich wird.
Mit freundlicher Genehmigung der Passauer Neuen Presse, www.pnp.de