Präsidium
25.04.2023

Aufnahme und Versorgung geflüchteter Menschen

Beschluss des Präsidiums des Deutschen Städtetages
  1. Die Bereitschaft der Städte, geflüchteten Menschen Schutz und Hilfe zu gewähren, besteht unverändert fort. Die Städte sehen sich gemeinsam mit Bund und Ländern in der Verantwortung, den zu uns fliehenden Menschen zu helfen. Es gilt, gemeinsam und verstärkt dafür Sorge zu tragen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Akzeptanz für die Aufnahme von Geflüchteten in allen Teilen der Gesellschaft aufrecht erhalten bleibt.
     
  2. Diese Akzeptanz wird indes brüchiger. Die Städte stoßen bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten zunehmend an ihre Grenzen. Die kommunalen Aufnahmekapazitäten für Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern sind vielerorts erschöpft. Es fehlt an Wohnraum, Kita- und Schulplätzen sowie an kommunalem Personal. Eine Integration der zu uns kommenden Menschen ist unter diesen Bedingungen immer weniger möglich.
     
  3. Das Angebot des Bundeskanzlers, die Herausforderung der Unterbringung von Geflüchteten und die damit verbundenen politischen, rechtlichen und finanziellen Aspekte bei einem Treffen mit der MPK im Mai zu erörtern, ist ein wichtiges Signal. Der Zeitpunkt ist aus Sicht des Präsidiums sehr spät. Das Präsidium erwartet, dass die Hilferufe der Städte ernst genommen werden und eine spürbare Unterstützung und finanzielle Entlastung der Städte bei dem erwähnten Treffen im Mai zugesagt wird. Die Städte brauchen kurzfristig klare Aussagen. Die finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern muss dynamisch an die steigenden Flüchtlingszahlen angepasst und verstetigt werden.
     
  4. Der bei dem zweiten Migrationsgipfel im Februar des Jahres verabredete Follow-up-Prozess zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist ein erster Schritt zu einem gemeinsamen Handlungskatalog zur Verbesserung der Migrationslage. Seine Ergebnisse sind noch nicht ausreichend. Es ist zu begrüßen, dass für das Arbeitsfeld "Entlastung der Ausländerbehörden" auf Vorschlag der Kommunen weitgehend Einigkeit über mögliche Handlungsschritte erzeugt wurde. In anderen Arbeitsfeldern fehlt es an gemeinsamen Sichtweisen. Dazu gehört insbesondere die Finanzierung der flüchtlingsbezogenen Aufgaben der Kommunen. Weitere Schritte und Vereinbarungen zur Umsetzung von Vorschlägen in geltendes Recht sind notwendig, um den Prozess zu einem tatsächlichen Erfolg zu führen.
     
  5. Das Präsidium sieht die Länder, aber auch den Bund in der politischen Verantwortung bei der Unterbringung von Geflüchteten. Neben den Ländern, die ihre Aufnahmekapazitäten deutlich ausbauen und auch dauerhaft vorhalten müssen, muss auch der Bund in einem abgestimmten Konzept zwischen den Ebenen eigene Unterbringungskapazitäten zur Erstaufnahme aufbauen, um damit Länder und Kommunen bei hohen Zugangszahlen zu entlasten.
     
  6. Die Integrationsangebote und das Integrationsrecht sind dahingehend zu ändern, dass den Städten zugewiesene Geflüchtete unabhängig vom Aufenthaltsstatus grundsätzlich schnellstmöglich Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Dafür ist die Erlangung der Arbeitserlaubnis und die Anerkennung von im Heimatland erworbenen Qualifikationen zu vereinfachen. Sprach- und Integrationsangebote sind bedarfsgerecht zu erweitern.
     
  7. Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften in Deutschland nimmt weiter zu und entwickelt sich zu einem Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Im internationalen Vergleich verliert Deutschland an Attraktivität für ausländische Fachkräfte. Es ist daher notwendig, Fachkräfte gezielt anzuwerben sowie klare und einfache Regelungen für die qualifizierte Zuwanderung von Fachkräften zu erarbeiten.
     
  8. Das Präsidium begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht die Personengruppe der langjährig Geduldeten in den Blick nimmt und ihnen unter bestimmten Voraussetzungen eine Bleibeperspektive eröffnet. Es erwartet darüber hinaus, dass die Bundesregierung vorhandene Qualifizierungsangebote zügig daraufhin prüft, wie der Arbeitsmarktzugang bereits hier lebender Menschen verbessert werden kann.
     
  9. Der Bund muss die Rückführung von ausreisepflichtigen Asylsuchenden ohne Bleibeperspektive konsequent unterstützen und dazu die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern sind auszuweiten. Das zusammen mit allen EU-Organen erarbeitete Ziel der Europäischen Kommission, ein gemeinsames EU-Rückkehrsystem zu erstellen, ist richtig.
     
  10. Die Verteilung von Geflüchteten und Asylsuchenden innerhalb der EU ist ungleich. Die Städte appellieren an die Bundesregierung, Vereinbarungen auf europäischer Ebene zur gerechten Verteilung Geflüchteter zu treffen, um eine Überforderung der Infrastruktur und der Integrationsmöglichkeiten Deutschlands zu vermeiden.
     
  11. Das Präsidium teilt die Auffassung, dass es auf europäischer Ebene dringend erforderlich ist, mehr Anstrengungen gegen irreguläre Migration zu unternehmen. Flüchtende Menschen brauchen sichere und legale Wege auf der Suche nach Schutz. Das Präsidium unterstützt die Grundidee des Migrationspaktes der Vereinten Nationen aus 2018, legale Migrationswege zu erweitern und die organisierte Schleuserkriminalität einzudämmen. Dazu gehören auch mehr Anstrengungen zur Kontrolle und zum Schutz der EU-Außengrenzen.