Hauptausschuss
26.11.2020

Entwicklungen des Infektionsgeschehens und Maßnahmen zur Eindämmung

Beschluss des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages
  1. Der Hauptausschuss betont, wie entscheidend es ist, in der Krise verantwortungsvoll zu agieren. Das gilt für Bund, Länder und Kommunen bei ihren Entscheidungen über Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie. Das gilt aber auch für jeden Einzelnen. Die Menschen haben in den vergangenen Monaten große Disziplin und Verantwortung bewiesen. Um dies nicht zu gefährden, hält der Hauptausschuss Klarheit und Besonnenheit bei politischen Entscheidungen für sehr wichtig. Regeln müssen einfach, klar und nachvollziehbar sein. Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, welche Regelungen für sie gelten. Nur so werden die Menschen Maßnahmen akzeptieren. Verschärfungen oder Lockerungen im Wochentakt schaden nur. Deshalb appelliert der Hauptausschuss an die Länder, mit Lockerungen und regionalen Hotspot-Strategien verantwortungsvoll umzugehen.
     
  2. Der Hauptausschuss hält es für richtig, den Teil-Lockdown mit seinen Beschränkungen für die nächsten Wochen fortzusetzen und von Öffnungsschritten abzusehen. Auch werden die Verschärfungen bei den persönlichen Kontakten, die Ausweitung der Maskenpflicht und die Zutrittsbeschränkungen im Einzelhandel unterstützt. Der Teil-Lockdown ist zwingend, um einen weiteren Anstieg der Infektionszahlen zu verhindern und das Infektionsgeschehen wieder zurückzudrängen. Da offen ist, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt und erst dann neue Entscheidungen zu treffen sind, ist es von grundlegender Bedeutung,  spätestens dann den Menschen eine Perspektive aufzuzeigen. Die Menschen wollen wissen, was auf sie in nächster Zeit zukommt. Vor allem die Gastronomen, Kulturschaffende, andere Soloselbständige, Hoteliers und auch der Einzelhandel brauchen einen Fahrplan, um gut durch die kommenden Wochen und Monate zu kommen. Zum nächsten Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ländern muss eine Strategie vorliegen, mit der den Menschen eine Perspektive geboten wird. Es erhöht die Akzeptanz, wenn man absehen kann, was mittelfristig geplant ist. Auch lässt die Aussicht auf einen Impfstoff die Menschen mit mehr Zuversicht in das Frühjahr gehen. Die Städte unterstützen die Corona-Impfstrategie.
     
  3. Der Hauptausschuss sieht die Bedeutung der Weihnachtstage. An diesen Tagen wollen sich Familien und Freunde treffen. Er fordert Bund und Länder auf, die Kapazitäten für großzügige Testmöglichkeiten frühzeitig sicherzustellen. Der Hauptausschuss bedauert, dass sich Bund und Länder nicht auf ein einheitliches Böllerverbot verständigen konnten. Er fordert die Länder auf, sich zumindest auf ein Böllerverbot im Innenstadtbereich zu einigen.
     
  4. Der Kontaktnachverfolgung kommt nach wie vor eine zentrale Rolle zu. Wenn der Großteil der Infektionen inzwischen unklarer Herkunft ist, braucht es eine gewaltige Kraftanstrengung der kommunalen Gesundheitsämter, um die Kontaktnachverfolgung wieder zu ermöglichen. Zentrales Ziel muss sein, die Zahl der Neuinfektionen wieder in die nachverfolgbare Größenordnung von  unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche zu senken. Ebenso zentral für das Pandemiegeschehen ist es, die Einhaltung der Corona-Regelungen zu kontrollieren. Die kommunalen Ordnungsbehörden sind sich ihrer Verantwortung bewusst und entsprechend engagiert. Die Städte sehen aber auch Bund und Länder in der Pflicht, die Gesundheits- und Ordnungsämter personell zu unterstützen. Insbesondere ist eine stärkere Unterstützung durch Polizei und Justiz notwendig.
     
  5. Die Städte halten es für richtig, Schulen und Kitas so lange es geht offen zu halten. Die Schulträger und Schulleitungen benötigen jedoch Handlungsoptionen, um einen sicheren Schulbetrieb gewährleisten zu können. Es bedarf einheitlicher Konzepte, die Handlungsszenarien mit Stufenregelungen vorsehen, etwa ein angepasster Regelbetrieb, ein eingeschränkter Regelbetrieb, Wechselmodell zwischen Präsenz- und Distanzunterricht sowie ausschließlicher Distanzunterricht. Eine grundsätzliche Maskenpflicht im Unterricht für alle Jahrgänge der weiterführenden Schulen sowie insbesondere ein Wechselmodell zwischen Präsenz- und Distanzunterricht ist je nach Inzidenz sinnvoll, um weitere Ansteckungen zu vermeiden.
     
  6. Der Hauptausschuss hebt hervor, dass die Schließung von Kultur-, Freizeit,- und Sporteinrichtungen sowie des  Gastronomiebetriebes ausgesprochen hart und schmerzhaft ist. In diesen Bereichen sind mit großen Anstrengungen tragfähige Hygienekonzepte entwickelt worden. Es ist jedoch notwendig, die Kontakte in der Bevölkerung insgesamt erheblich zu reduzieren, um das Infektionsgeschehen zu bremsen. Es wird entscheidend sein, die Notwendigkeit dieses Schrittes den von den Schließungen betroffenen Menschen zu vermitteln. Die betroffenen Einrichtungen, Unternehmen und Solo-Selbständigen müssen ausreichend entschädigt werden. Der Hauptausschuss begrüßt, dass die Novemberhilfen auch für die nächsten Wochen fortgesetzt werden. Der Hauptausschuss erwartet insbesondere, dass die finanziellen Einbußen schnell, unbürokratisch und möglichst vollständig erstattet werden, um ein flächendeckendes Veröden unserer Innenstädte und Stadtteilzentren verhindern zu können.
     
  7. Krankenhäuser, die zugunsten von Corona-Behandlungen Operationen zurückstellen, müssen angemessen finanziell gestärkt werden. Ausgleichszahlungen für frei gehaltene Kapazitäten sind ein geeignetes Instrument, um Behandlungskapazitäten für künftige Covid-Patienten frei zu halten. Die Gestaltung der Freihaltepauschale erweist sich allerdings als zu umständlich und bürokratisch. Der Hauptausschuss fordert zudem eine ausdrückliche und flächendeckende Anordnung der  Landesgesundheitsministerien an alle Krankenhäuser unabhängig von ihrer Trägerschaft, medizinisch verschiebbare Operationen abzusagen, um Intensivbetten freizuhalten. Darüber hinaus müssen coronabedingte Erlösrückgänge kommunaler Krankenhäuser des Jahres 2020 schnellstmöglich und vollständig ausgeglichen werden.
     
  8. Der Hauptausschuss sieht mit Sorge, dass bei Demonstrationen Regeln und Auflagen nicht eingehalten werden. Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut in unserer Demokratie. Demonstrationen müssen deshalb auch in Corona-Zeiten möglich bleiben. Es braucht zugleich eine politische Debatte über das Verhältnis von Versammlungsrecht und Gesundheitsschutz. Kritisch sieht der Hauptausschuss Großdemonstrationen in Innenstädten bei aktuell so hohen Infektionszahlen. Ein kluger Stufenplan könnte die Frage beantworten, bei welchem Infektionsstand Versammlungen welcher Größe und in welchem Rahmen möglich sind.