Präsidium
Energiekrise
Beschluss des Präsidiums des Deutschen Städtetages (Sondersitzung)
- Die weltpolitische Lage und die Krise an Gasmärkten fordern entschlossene Maßnahmen und den Beitrag jeder und jedes Einzelnen und der Gemeinschaft. Alle Anstrengungen müssen darauf gerichtet sein, für den Winter vorzusorgen. Das Präsidium unterstützt ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung und der Europäischen Union, den Gas- und den Energieverbrauch insgesamt erheblich zu minimieren, die Speicher zu füllen sowie neue Energiequellen und unabhängige Importmöglichkeiten zu erschließen. Das Präsidium hält es für erforderlich, einen Krisenstab von Bund, Ländern und Kommunen einzusetzen.
- Der Deutsche Städtetag bekräftigt seine Forderung nach einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, der Netze sowie der Speichermöglichkeiten. Das Präsidium hält es zugleich für notwendig, alle verantwortbaren Möglichkeiten der Energieversorgung zu nutzen, um eine Gas-Mangellage im Winter zu vermeiden und eine Stromkrise zu verhindern. Dazu gehört in der gegenwärtigen Ausnahmesituation auch, Kohlekraftwerke befristet weiter zu betreiben bzw. wieder ans Netz zu nehmen. Es handelt sich um eine notwendige Überbrückungsmaßnahme. Die Klimaschutzziele der Bundesregierung haben weiterhin Priorität. Ob weitere Maßnahmen – wie ein zeitlich eng betriebener Streckbetrieb der drei verbliebenen Atomkraftwerke – notwendig sind, hängt vom Ergebnis eines zweiten Stresstests im Auftrag der Bundesregierung zur Stromversorgung ab. Eine solche Entscheidung darf den deutschen Atomausstieg nicht in Frage stellen.
- Im Mittelpunkt aller Anstrengungen muss allerdings stehen, in den kommenden Monaten Gas in einer Größenordnung von 20 Prozent einzusparen. Die Städte übernehmen Verantwortung. Alle kommunalen Bereiche müssen ihren Beitrag zu Einsparmaßnahmen leisten. Viele Städte haben mit Regulierungen bei Warmwasser, Klimatechnik und Beleuchtung schon jetzt Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die Konzentration auf die Heizperiode und der Weg der Bundesregierung sind richtig, über eine Rechtsverordnung Einsparvorgaben zu treffen. Konkrete Temperaturvorgaben sieht das Präsidium zurückhaltend. Zentral ist, die Heizungen richtig einzustellen, effizient zu heizen und zu lüften. Temperaturabsenkungen in Räumen, in denen sich Menschen nur über kurze Zeit aufhalten sowie unbeheizte Treppenhäuser, Flure oder Foyers sind richtige Maßnahmen. Verpflichtende Vorgaben für Homeoffice im Winter müssen genau betrachtet werden. Effizienter scheinen Betriebsferien im öffentlichen Dienst über den Jahreswechsel. Das Präsidium betont, dass im Fall eines Gasmangels Schulen und Kitas in ihrem Betrieb nicht gefährdet werden dürfen.
- Um die gesamte Gaslieferkette funktionsfähig zu erhalten, sind die Teilverstaatlichung von Uniper und Stützungsmaßnahmen für die Unternehmen am Beginn der Lieferkette richtige Schritte der Bundesregierung. Die geplante Gasbeschaffungsumlage kann helfen, eskalierende Preise entlang der Lieferkette zu verhindern. Liquiditätsschwierigkeiten bei den Stadtwerken kann die Umlage aber nicht gänzlich vermeiden. Das Präsidium fordert die Bundesregierung daher nochmals mit Nachdruck auf, dringend ein Insolvenzmoratorium auf den Weg zu bringen und drohende Insolvenzen von Stadtwerken mit Liquiditätshilfen abzufangen. Dabei ist für die Städte klar, dass gemeinsam mit Bund und Ländern Lösungen gefunden werden müssen, um Insolvenzen von Stadtwerken zu verhindern. Die im Koalitionsvertrag angestrebte Energiewende in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft ist ohne die dezentralen Versorgungsstrukturen der Stadtwerke nicht umsetzbar.
- Die Gasbeschaffungsumlage muss für alle Vertragskonstellationen und Tarife in der Gasversorgung gelten, insbesondere für Festpreisverträge und den Bereich der Fernwärme. Das Präsidium weist darauf hin, dass für die Umsetzung der Umlage praktikable Fristen notwendig sind.
- Eine den Verbrauch steuernde Wirkung der Energie- und Verbraucherpreise ist unverzichtbar. Sie darf einerseits nicht ausgehebelt werden. Andererseits dürfen Nachzahlungen und Abschlagszahlungen nicht zur finanziellen Überforderung der Verbraucherinnen und Verbraucher oder zu bedrohlichen Belastungen im Wohnungsmarkt oder in der Wirtschaft führen. Das Präsidium hält es angesichts der anstehenden enormen Preiserhöhungen für Strom und Gas für die kommenden Jahre für dringend erforderlich, diese Abwägung in die Höhe der geplanten Gas-Umlage einzubeziehen. Es fordert den Bund auf, die Umlage für die Verbraucherinnen und Verbraucher planbar über einen längeren Zeitraum zu strecken. Die vorgesehene Möglichkeit, die Höhe der Umlage alle drei Monate anzupassen, bietet keinerlei Planungssicherheit für die Endkunden. Zudem muss die Umlage jederzeit durch staatliche Zuschüsse, vergleichbar der früheren EEG-Umlage, verringert werden können.
- Für Menschen mit niedrigen Einkommen sind zielgenaue und rechtzeitige Hilfen erforderlich. Die Preisspirale bei den Heizkosten trifft die Menschen besonders hart, die einen Großteil ihres Einkommens für existenzsichernde Güter wie Lebensmittel, Mobilität und Energie ausgeben müssen, die aber zu viel verdienen, um einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen zu haben. Die angekündigte Reform des Wohngeldes ist deshalb ein richtiger Schritt, weil sie den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert. Sie muss jedoch schneller als bislang geplant umgesetzt werden. Unabhängig davon, müssen Wohngeldempfänger durch einen weiteren Heizkostenzuschlag unbürokratisch unterstützt werden, so dass sie steigende Abschläge für die Warmmiete bedienen können. Perspektivisch sollte das Wohngeld um einen dauerhaften, pauschalen Heizkostenzuschuss oder ein Warmmietensystem erweitert werden.
- Familien mit Kindern und niedrigen oder mittleren Einkommen sollten durch eine nochmalige Zahlung von einmaligen Zuschlägen zum Kindergeld (Kinderbonus) unterstützt werden. Die zielgenaue und unbürokratische Zahlung eines weiteren Kinderbonus kann diesen Familien bei den hohen Heizkosten helfen.