Hauptausschuss
Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine und weiteren Herkunftsländern
Beschluss des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages
- Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Wladimir Putins gegen die Ukraine kostet jeden Tag Menschenleben. Er hat gleichzeitig die größte Binnenfluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Die Menschen fliehen nicht nur vor der brutalen Aggression der russischen Angreifer, sondern auch, weil gezielt die Infrastruktur der Ukraine zerstört wird, um weitere Fluchtbewegungen im Winter auszulösen. Das Kalkül dabei ist auch, angrenzende europäische Länder zu destabilisieren. Der Hauptausschuss fordert die Bundesregierung deshalb auf, die uk-rainische Regierung bei ihren Bemühungen einer gesteuerten Binnenmigration durch den Aufbau von Infrastruktur in sicheren Gebieten in der Ukraine zu unterstützen. Neben der Unterstützung bei der Errichtung von Übergangsunterkünften in sicheren Gebieten der Ukraine müssen die Anstrengungen für den Wiederaufbau der Infrastruktur verstärkt werden.
- Der Hauptausschuss unterstreicht die ungebrochene Bereitschaft der Städte, geflüchtete Menschen angemessen unterzubringen und ihnen die notwendige Unterstützung zu gewähren. Er verurteilt jegliche Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, fremdenfeindlichen Tendenzen muss entschieden entgegengewirkt werden.
- Bund, Länder und Kommunen sind in einer Verantwortungsgemeinschaft. Alle drei staatlichen Ebenen müssen sich gemeinsam auf mögliche weitere Fluchtbewegungen insbesondere aus der Ukraine vorbereiten. Die Kommunen brauchen Planungssicherheit und die Zeit, auf Entwicklungen zu reagieren. Die Bundesregierung hat einen regelmäßigen gemeinsamen Austausch von Bund, Ländern und Kommunen sicherzustellen und muss ihr Lagebild zu Fluchtbewegungen mit den Kommunen teilen. Die Kommunen müssen wissen, auf welche Szenarien sie sich vorbereiten müssen.
- Der Hauptausschuss blickt mit Sorge auf den kommenden Winter. Viele Städte stehen großen Herausforderungen gegenüber. Die Unterbringungskapazitäten für neuankommende Geflüchtete und Asylsuchende werden knapp. Es braucht deshalb dringend kurzfristige Maßnahmen, um die Unterbringung der geflüchteten Menschen bewältigen zu können. Die in Aussicht gestellten Bundesimmobilien sind ein erster Schritt. Sie reichen aber bei Weitem nicht aus, um den bestehenden Kapazitätsengpässen in den Städten zu begegnen.
- Die Länder müssen das Ausbautempo für Erstaufnahmeeinrichtungen und zentrale Aufnahmeeinrichtungen deutlich erhöhen und der dynamischen Lage anpassen. Wir fordern die Länder auf, jenseits der Erstaufnahme dauerhafte bezugsfertige Kapazitäten zu errichten. Der gesetzlich zulässige zeitliche Rahmen für den Verbleib Asylsuchender in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen sollte ausgeschöpft werden, bevor eine Weiterleitung an die Kommunen erfolgt. Asylsuchende ohne Bleibeperspektive sind nicht auf die Kommunen zu verteilen. Notwendige Rückführungen müssen direkt aus den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen heraus erfolgen.
- Der Bund muss die gleichmäßige Verteilung der aus der Ukraine geflüchteten Menschen gewährleisten. Derzeit werden vor allem große Städte einseitig belastet. Das bestehende Aufnahmesystem berücksichtigt nicht die tatsächliche Belastung vor Ort, es muss auf den Prüfstand gestellt werden. Die Geflüchteten müssen bereits bei der Einreise nach Deutschland erfahren, wo es noch freie Kapazitäten gibt. Die Länder haben sicherzustellen, dass ukrainische Geflüchtete auch innerhalb der Länder gerecht verteilt werden. Dafür müssen die Länder alle ukrainischen Geflüchteten durch eine regelhafte Erstaufnahme erfassen.
- Der Hauptausschuss begrüßt die Zusagen des Bundes für die Finanzierung bei der Aufnahme von Geflüchteten. Die verabredete Erhöhung der Mittel um 1,5 Milliarden Euro in diesem Jahr, die vorgesehenen Mittel von 1,5 Milliarden Euro für die Geflüchteten aus der Ukraine in 2023 sowie die Verstetigung der allgemeinen flüchtlingsbezogenen Pauschale in Höhe von 1,25 Milliarden Euro ab 2023 werden jedoch nicht reichen. Hilfen für Integration fehlen in dem Paket gänzlich. Der Hauptausschuss dringt darauf, dass der Bund bei den für Ostern 2023 vereinbarten Verhandlun-gen die finanziellen Mittel deutlich nachbessert und dabei die tatsächliche Belastung der Kommunen berücksichtigt. Die Mittel müssen entsprechend der Entwicklung der Flüchtlingszahlen dynamisch angepasst werden. Der Hauptausschuss erwartet von den Ländern die vollständige Weiterleitung der Bundesmittel an die Kommunen. Die Länder ihrerseits müssen die kommunalen Belastungen vollständig kompensieren.
- Der Hauptausschuss appelliert eindringlich an die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für eine faire und solidarische Verteilung Geflüchteter insgesamt einzusetzen. Auch auf EU-Ebene braucht es eine Steuerung und Verteilung Asylsuchender und der ukrainischen Geflüchteten. Die Bundesregierung muss schnellstmöglich Gespräche mit den Mitgliedsstaaten der EU darüber führen, wie eine bessere EU-weite Verteilung erreicht werden kann.