Präsidium
Flüchtende aus Afghanistan
Beschluss des Präsidiums des Deutschen Städtetages
- Das Präsidium blickt mit großer Sorge auf die Lage in Afghanistan. Das Agieren der internationalen Staatengemeinschaft und auch der Bundesregierung in Zusammenhang mit der Machtergreifung durch die Taliban ist Ausdruck politischen Versagens.
- Die Städte waren und sind bereit, Ortskräfte, deren Familien und weitere schutzbedürftige Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Sie wollen damit ein Zeichen von Menschlichkeit setzen und Verantwortung übernehmen – viele der jetzt verfolgten Menschen haben sich in den letzten Jahren für Demokratie und Rechtsstaat eingesetzt, viele befinden sich wegen der Zusammenarbeit mit deutschen Stellen in Gefahr.
- Viele Afghaninnen und Afghanen flüchten oder sind bereits in angrenzende Staaten geflüchtet. Diese Staaten müssen in die Lage versetzt werden, flüchtende Menschen schnell zu versorgen und aufnehmen zu können. Die Warnungen des UNHCR vor einer drohenden humanitären Krise sind ernst zu nehmen, die internationale Staatengemeinschaft ist dringend aufgerufen, ein Flüchtlingsdrama in Afghanistan zu verhindern. Der Bund muss sein Engagement vor Ort, auch finanziell, deutlich ausbauen.
- Das Präsidium begrüßt die klare Aussage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, dass zunächst alle im Rahmen der Evakuierungsflüge aufgenommenen erwerbsfähigen afghanischen Menschen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben.
- Auch wenn noch nicht absehbar ist, in welchem Umfang weiterhin flüchtende Menschen aus Afghanistan zu uns kommen werden, gehen die Städte von einem Zuzug aus. Das Präsidium appelliert an den Bund, die Städte frühzeitig über Fluchtbewegungen zu informieren. Die Städte müssen wissen, was auf sie zukommt. Sie sind es, die die Unterkünfte für Geflüchtete bereitstellen und die Integration in die Stadtgesellschaft leisten. Deutschland trägt auch eine besondere Verantwortung für diejenigen Afghaninnen und Afghanen, die bereits hier sind. Es ist wichtig, dass sie angesichts der auf absehbare Zeit nicht möglichen Rückkehr in ihre Heimat schnell Zugang zu Integrationsmaßnahmen erhalten.
- Viele Städte haben Bund und Länder aufgefordert, großzügige und unbürokratische Aufnahmeprogramme zu entwickeln, um schutzbedürftigen Menschen aus Afghanistan die Chance auf ein Leben in Deutschland zu bieten. Das Präsidium appelliert an Bund und Länder, die aufnahmebereiten Städte bei der Verteilung der aus Afghanistan kommenden Flüchtlinge besonders zu berücksichtigen.
- Die Empfehlungen der Fachkommission Fluchtursachen für Deutschlands künftiges Engagement auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene sind angesichts der Situation in Afghanistan hochaktuell. Das Präsidium bekräftigt zum wiederholten Mal, dass ein zukunftsfestes, tragfähiges europäisches Asylsystem notwendig ist. Das Präsidium appelliert eindringlich an die EU-Staaten, zeitnah eine politische Verständigung über die Kernkomponenten eines neuen Asyl- und Migrationspakets zu erzielen. Es muss endlich gelingen, in Europa zu einer solidarischen und fairen Verteilung von Geflüchteten zu kommen und die seit Jahren bekannten Mängel des EU-Asylsystems zu beheben.
- Afghanistan hat noch einmal gezeigt, dass es trotz der Intervention der Staatengemeinschaft auch in den nächsten Jahren zu internationalen Krisen und Konflikten kommen wird, die zu Flucht und Migration führen. Das stellt die Städte als Orte der Integration vor Herausforderungen. Das Präsidium des Deutschen Städtetages erwartet von der nächsten Bundesregierung, dass die bestehenden Verteilungsregelungen und integrationsunterstützenden Programme und Maßnahmen unter Einbeziehung der Städte und Gemeinden weiterentwickelt werden.