Europa News 5|2024
Die Europa News des Deutschen Städtetages berichten über Neuigkeiten aus der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union sowie dem Ausschuss der Regionen, die aus kommunalpolitischer Perspektive interessant sind. Die aktuelle Ausgabe lesen Sie hier.
Inhaltsverzeichnis
Institutionelles
- Vorstellung der neuen Europäischen Kommission 2024 - 2029
- Wahl des neuen Europäischen Bürgerbeauftragten
Wirtschaft
- Draghi-Bericht - Maßnahmen zur Stärkung der EU-Wettbewerbsfähigkeit
- Europäischer Rechnungshof zur Aufbau und Resilienzfazilität
- Diskussion der Institutionen über die Zukunft der Kohäsionspolitik
Soziales
- Europaparlament debattiert über bezahlbaren Wohnraum
Migration
-
EU-Institutionen debattieren Wiedereinführung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum
Energie
-
Kommissionsbericht zur "Lage der Energieunion"
Verkehr
-
Neue Kommission und Verkehrsminister wollen europäisches Hochgeschwindigkeitsschienennetz vorantreiben
In eigener Sache
- Nominierungen für den "Mayor Pawel Adamovicz Award"
Anhang
- Auswahl der Stellungnahmen und Entschließungen des Europäischen Ausschusses der Regionen
- Auswahl öffentlicher EU-Konsultationen
Institutionelles
Vorstellung der neuen Europäischen Kommission 2024-2029
Am 17. September 2024 stellte Ursula von der Leyen die nominierten Kandidatinnen und Kandidaten für die neue Europäische Kommission vor. Im Vordergrund steht die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, der Klimaschutz sowie die Stärkung der Sicherheit. Sechs Exekutiv-Vizepräsidentinnen und -präsidenten übernehmen eine zentrale Rolle bei diesen Aufgaben. Ihre Zuständigkeiten spiegeln die wichtigsten Ziele wider, die für die wirtschaftliche, soziale und ökologische Zukunft Europas von Bedeutung sind. Unterstützt werden sie von Kommissarinnen und Kommissare, die für relevante Fachbereiche zuständig sind. Die Ressorts sind eng miteinander verzahnt, um eine umfassende und kohärente Transformation sicherzustellen. Ursula von der Leyen betonte, dass die Kommission und deren Ressorts unteranderem an den Klimazielen für 2030 und 2050 des Green Deals, gemessen werden muss. Der "Clean Industrial Deal" ist die zentrale Initiative der neuen Kommission vorgeschlagen mit dem Ziel Wettbewerbsfähigkeit und Klimapolitik zu verbinden. Ein weiteres Vorhaben der neuen Kommission ist die Verbesserung der Gesetzgebung und die Vereinfachung der Regulierung. Von der Leyen fordert außerdem eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und den europäischen Regionen. Die neuen Kommissarinnen und Kommissare sollen den Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern der lokalen Ebenen fördern und eine "neue Ära des Dialogs" mit den Bürgerinnen und Bürgern und Interessengruppen einläuten, basierend auf den Empfehlungen der Konferenz zur Zukunft Europas. Alle neuen Kommissare und Kommissarinnen erhielten Mandatsschreiben der Präsidentin auf Englisch und in der jeweiligen Landessprache.
Wichtige Ressorts für Städte
- Als neuen Exekutiv-Vizepräsidenten für das Ressort Kohäsion und Reformen wurde der Italiener Raffaele Fitto (EKR) von der rechten Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer benannt. Das Portfolio der ihm unterstellten General Direktion (GD) heißt Kohäsion, Reformen und Städte – derzeit noch GD Regio. Da Städte explizit genannt werden, ist eine stärkere Betrachtung der urbanen Anliegen zu erwarten. Im Mandatsschreiben (engl. Missions Letter) wird der Exekutiv-Vizepräsident damit beauftragt, eine ambitionierte politische Agenda für Städte zu entwickeln, mit Visionen für die Zukunft urbaner Räume. Er soll die Kohäsionspolitik modernisieren, um sicherzustellen, dass auch strukturschwache Regionen von Europas Wandel profitieren. Neu ist, dass ihm der Kommissar für Transport unterstellt wird.
- Der Franzose Stéphane Séjourné (Renew Europe) ist als Exekutiv-Vizepräsident für Wohlstand und eine europäische Industriestrategie nominiert. Er soll die Strategie des „Clean Industrial Deals“ in den ersten 100 Tagen der neuen Kommission vorstellen.
- Gleichzeitig wurde die Spanierin Teresa Ribera (S&D) als Exekutiv-Vizepräsidentin für einen „sauberen, gerechten und wettbewerbsfähigen Übergang“ vorgeschlagen. Sie trägt ebenfalls Verantwortung für eine klimafreundliche Industriepolitik. Unter Ribera arbeiten drei Kommissare:
- Der Niederländer Wopke Hoekstra (EVP) als Kommissar für Klima,
Netto-Null-Emissionen und sauberes Wachstum.
- Die Schwedin Jessika Roswall (EVP), die für Umwelt,
Wassersicherheit und Kreislaufwirtschaft
- Der Däne Dan Jørgensen (S&D) als Kommissar für Energie und
Wohnungswesen eingesetzt werden.
- Valdis Dombrovskis (EVP) aus Lettland soll als Kommissar für Wirtschaft und Produktivität sicherstellen, dass die klimapolitischen Anstrengungen auf einer stabilen wirtschaftlichen Grundlage basieren.
- Piotr Serafin (EVP) aus Polen ist als Kommissar für Haushalt, Betrugsbekämpfung und öffentliche Verwaltung dafür verantwortlich, die finanzielle Basis für die ambitionierten Projekte zu sichern. Allerdings fehlen in seinem Mandatsschreiben konkrete Details zum zukünftigen Kohäsionsbudget.
- Die Portugiesin Maria Luís Albuquerque (S&D) wird als Kommissarin für Finanzdienstleistungen die Kapitalmarktunion vorantreiben, um Investitionshürden abzubauen und die Bankenunion zu stärken, wobei ihr Fokus besonders auf der Einführung eines europäischen Einlagensicherungssystems (EDIS) liegt.
- Der frühere Präsident des Ausschusses der Regionen, Apostolos Tzitzikostas (EVP) aus Griechenland wird als Kommissar für nachhaltigen Verkehr und Tourismus vorgeschlagen
- Im Bereich Migration und Grenzschutz soll der Österreicher Magnus Brunner (EVP) als Kommissar für Inneres und Migration wirken.
Die Kandidatinnen und Kandidaten müssen nun vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Die Anhörungen finden zwischen dem 4. und 12. November 2024 in den zuständigen Fachausschüssen des Parlaments. Dabei hat das Parlament die Möglichkeit, die Nominierungen abzulehnen, was den Beginn des Mandats verzögern könnte. Bisher ist der Amtsantritt der neuen Kommission für den 1. Dezember 2024 geplant. Auf dieser Website finden Sie mehr Informationen zu den Kommissar-Anhörungen: Anhörungen zur Bestätigung der Europäischen Kommission (europa.eu)
(fia, fas)
Wahl des Neuen Europäischen Bürgerbeauftragten
Die Amtszeit der bisherigen Europäischen Bürgerbeauftragten Emily O'Reilly endet Ende 2024. Bis zum 30. September konnten potenzielle Kandidierende aus dem Europäischen Parlament für das Amt zu bewerben. Zehn Personen konkurrieren nun um dieses Amt.
Die Rolle des Europäischen Bürgerbeauftragten ist entscheidend für den Schutz der Bürgerrechte und die Sicherstellung von Transparenz in den EU-Institutionen. Die oder der Bürgerbeauftragte bearbeitet Beschwerden über Missstände wie Verwaltungsversagen oder mangelnde Rechenschaftspflicht. Als Bindeglied zwischen Bürgern und EU-Institutionen stärkt diese Position das Vertrauen in europäische Prozesse. Die endgültige Wahl erfolgt im Dezember 2024 per Mehrheitsbeschluss des Europäischen Parlaments, nachdem die Kandidierenden vom Petitionsausschuss angehört wurden.
(fas)
Wirtschaft
Draghi-Bericht - Maßnahmen zur Stärkung der EU-Wettbewerbsfähigkeit
Am 9. September 2024 präsentierte Mario Draghi, der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank und vormalige italienische Premierminister, im Auftrag von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seinen Bericht (nur in engl. Sprache erschienen) zur globalen Wettbewerbsfähigkeit der EU. Draghis Hauptkritik betrifft die veraltete Industriestruktur, niedrige Produktivität, hohe Energiepreise und Abhängigkeiten von Drittstaaten. Auf 400 Seiten schlägt er 170 Maßnahmen vor, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, und betont, dass jährlich 750–800 Milliarden Euro Investitionen notwendig seien, um bestehende Ziele wie den EU-Green Deal zu erreichen. Die Finanzierung bleibt unklar, aber Gemeinschaftsschulden sind für Draghi eine mögliche Option.
Die enge Verbindung von Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit ist für die Transformation entscheidend hält der Bericht fest. Um schneller voranzukommen, brauche es einen technologieneutralen Ansatz. Erneuerbare Energien und niedrigere Energiepreise sind dabei Schlüsselelemente. Draghi schlägt eine Überarbeitung des Strommarktdesigns vor, um Marktverzerrungen zu vermeiden und die Preise zu senken, indem die Strompreise für erneuerbare Energien und Kernenergie vom Gaspreis entkoppelt werden. Zudem fordert er eine Reduzierung der Energiebesteuerung auf EU-Ebene und Investitionen in den Netzausbau. Darüber hinaus empfiehlt Draghi eine stärkere Ausrichtung der Kohäsionspolitik auf Industrie, Digitalisierung und Innovation, um auch weniger wohlhabende Regionen zu fördern und Reformen auf subnationaler Ebene zu begleiten. Er fordert eine striktere Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, damit nur die notwendigen Aufgaben auf EU-Ebene geregelt werden und regionale Angelegenheiten vor Ort gelöst werden können.
Draghi kritisiert den Flickenteppich an Regeln in der EU, insbesondere im Telekommunikationssektor, und fordert eine Konsolidierung für einen funktionierenden Binnenmarkt. Zudem bemängelt er die uneinheitlichen Abfallkriterien in den Mitgliedstaaten, die zu einem fragmentierten Markt und u.a. zu niedrigen Recyclingquoten führen.Draghi fordert zudem einen umfassenden Bürokratieabbau, insbesondere in der Umweltgesetzgebung, der Infrastrukturplanung und im Fördermittelmanagement. Er schlägt vor, die Berichtspflichten zu reduzieren und die Taxonomie zu vereinfachen, um KMUs zu entlasten. Zudem sollen digitale Technologien Verwaltungsprozesse beschleunigen. Darüber hinaus möchte er eine Definition „kleiner Midcaps“ in die KMU-Definition aufnehmen und die Vergaberichtlinien überarbeiten, um heimische Produkte vorrangig zu behandeln.
Obwohl rechtlich nicht bindend, hat der Draghi-Bericht Einfluss auf die Arbeit der neuen Europäischen Kommission. So spiegeln sich Elemente und Forderungen in den Mandatsschreiben der neuen Kommissare wider.
In der Sitzung des EU-Ministerrates für Wettbewerbsfähigkeit am 26. September diskutierten die Industrie- und Wirtschaftsminister der Mitgliedsstaaten den Draghi-Bericht. Die Mehrheit lehnt Gemeinschaftsschulden ab und fordert eine effizientere Nutzung bestehender Ressourcen wie der Aufbau- und Resilienzfazilität. Uneinigkeit bestand über die schuldenfinanzierten Investitionen. Einig waren sich die Mitgliedsstaaten darin, dass die Energiepreise zu hoch sind und strategisch wichtige Sektoren priorisiert werden müssen.
(fas)
Europäischer Rechnungshof zur Aufbau- und Resilienzfazilität
Am 11. September 2024 hat der Europäische Rechnungshof (EuRH) einen Sonderbericht veröffentlicht, der sich mit der Frage befasst, ob die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) tatsächlich den ökologischen Wandel in der EU befördert.
Die ARF wurde 2020 im Rahmen der Covid-19-Krise ins Leben gerufen, um die Mitgliedsstaaten der EU zu unterstützen. Bis Februar 2024 wurden Gelder in Höhe von 648 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Um von diesen Geldern zu profitieren, mussten die Mitgliedsstaaten mindestens 37 % der ihnen zugewiesenen Mittel in Klimamaßnahmen investieren. Dieses Ziel wurde laut Bewertung der Europäischen Kommission bereits in der Planungsphase (42,5 Prozent) erreicht.
Mit dem Bericht stellte der EuRH allerdings Mängel sowohl bei der Gestaltung des ARF-Rahmens als auch bei den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen fest. Bei der Nachverfolgung von klimabezogenen Ausgaben wurde in erster Linie auf Näherungswerte zurückgegriffen. Daher zieht der EuRH den Schluss, dass es fraglich ist, ob die Klima- und Umweltziele tatsächlich erreicht wurden und inwieweit die Aufbau- und Resilienzfazilität den ökologischen Wandel unterstützt.
Der EuRH hat der Kommission schlussendlich die Empfehlung gegeben, bessere Schätzungen der klimabezogenen Ausgaben vorzunehmen, bei künftigen Finanzierungsinstrumenten die Gestaltung geeigneter Klima- und Umweltziele sicherzustellen und Leistungen im Rahmen des ökologischen Wandels und der Berichterstattung zu verbessern.
(her)
Diskussion der Institutionen über die Zukunft der Kohäsionspolitik
Zu Beginn der Europäischen Woche der Regionen am 7. Oktober gab es Presseberichte zu internen Plänen der Generaldirektion Haushalt der Europäischen Kommission, nach denen die Programme der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und die Kohäsionsfonds aufgelöst und möglicherweise in eine neue zentraleren Haushaltsstruktur überführt werden nach dem Modell der Aufbau- und Resilienzfazilität. Hintergrund ist, dass die aktuelle Förderperiode der Kohäsion 2027 ausläuft und die künftige Ausgestaltung bereits jetzt diskutiert wird (siehe auch Europa News 4/2024).
Bei seiner Eröffnungsrede zur Europäischen Woche der Regionen und Städte am 7. Oktober reagierte der Präsident des Ausschusses der Regionen, Vasco Codeiro, scharf auf die Presseberichte: "Wenn sich diese Pläne durchsetzen, würde dies zu einem totalen Ausschluss der Regionen und Städte aus der Mitgestaltung der künftigen Kohäsionspolitik führen. Das ist inakzeptabel." Auch in anderen Veranstaltungen während der Woche wurden die Pläne scharf kritisiert.
Bereits am 9. September 2024 fand eine Aussprache des REGI-Ausschusses des EU-Parlaments mit der noch zuständigen EU-Kommissarin für Kohäsion, Elisa Ferreira, und Vasco Codeiro statt. Der Vorsitzende des REGI-Ausschusses des Europäischen Parlaments, Adrian-Dragoş Benea (S&D), betonte in seiner Eröffnungsrede die Bedeutung der Kohäsionspolitik und die Aufgabe des Ausschusses, diese vehement zu verteidigen. Die Kohäsionspolitik sei – mit einem aktuellen Budget von 392 Mrd. Euro – eines der wichtigsten Finanzmittel des europäischen Haushalts.
Kommissarin Ferreira, sagte, es sei Aufgabe der künftige Kommission, über die Organisation des Kohäsionsbudgets zu entscheiden und dabei alle beteiligten Akteure einzubinden. Sie wies darauf hin, dass Europa nur mit einer starken Kohäsion Erfolg haben kann. Es dürfe sich keine Region vergessen fühlen. Die Kohäsionspolitik sei aktuell wichtiger denn je, um die Herausforderungen, wie Klimawandel, Innovation und demographischen Wandel zu bewältigen. Dabei müssten Städte und Regionen im Zentrum der Arbeit stehen. Ferreira wies außerdem auf die Bedeutung von regionalen Partnerschaften und der Mehrebenen-Verwaltung hin.
Vasco Codeiro betonte in der Debatte, dass die Kohäsionspolitik eine Politik für alle Regionen bleiben müsse. Bei der viel diskutierten Reform der Kohäsionspolitik sei es entscheidend, dass die Grundsätze "Multi-Level-Governance" und "Mehrebenen-Partnerschaft", die langfristige Planung und die Möglichkeit, flexibel auf außergewöhnliche Umstände zu reagieren, erhalten werden. Reformen seien jedoch insbesondere mit Blick auf Vereinfachung und einen einheitlichen Rahmen für Fonds mit geteilter Mittelverwaltung unbedingt erforderlich. Auch verschließe sich der Ausschuss der Regionen nicht vollständig einer Annäherung an das Europäische Semester; Voraussetzung sei jedoch, dass die Regionen nicht abgestraft würden, wenn nationale Regierungen ihre gesteckten Ziele nicht erreichen.
(ber)
Soziales
Europaparlament debattiert über bezahlbaren Wohnraum
Im Hinblick auf die baldige Ernennung eines EU-Kommissars für Wohnraum debattierte das Europäische Parlament am 9. Oktober zur Wohnungskrise in Europa.
Der scheidende EU-Kommissar für die Förderung der europäischen Lebensweise, Margaritis Schinas, wiederholte vor dem Parlament die Punkte, die im Mandatsschreiben des künftigen Wohnungskommissars aufgeführt wurden: Die Erarbeitung eines europäischen Aktionsplans für erschwingliches Wohnen, der sich auf die raumplanerische Komponente sowie auf die Ankurbelung von privaten Investitionen in den Wohnungsbau konzentriert. Außerdem soll zusammen mit der Europäischen Investitionsbank eine paneuropäische Investitionsplattform für nachhaltigen und erschwinglichen Wohnraum ins Leben gerufen werden. Maßnahmen gegen Energiearmut sollen im Vordergrund stehen und die verfügbaren Mittel für Wohnraum in den Kohäsionsfonds verdoppelt werden. Zudem sollen die europäischen Beihilferegeln angepasst werden, damit die EU-Mitgliedsstaaten den sozialen Wohnungsbau beschleunigen können. Auch die Projekte im Rahmen des „Neuen Europäischen Bauhaus“ sollen erweitert werden, um inklusivere Stadtviertel zu schaffen.
Die Europaabgeordneten begrüßten weitgehend die Initiative der Europäischen Kommission. Auch wenn die Europäische Kommission nur begrenzte Kompetenzen in der Wohnpolitik habe, gebe es dennoch Hebel, mit denen die EU positive Anreize für eine Entspannung der Wohnungskrise setzen könne. Beispielsweise könne es durch die Reform der europäischen Beihilferegeln zu einem Katalysatoreffekt für den sozialen Wohnungsbau kommen.
In der Debatte gingen die Abgeordneten auf viele verschiedene Aspekte der Wohnungskrise ein. So betonten vor allem sozialdemokratische Abgeordnete, dass Wohnraum zu einer zentralen sozialen Frage geworden sei: In den vergangenen Jahren seien die Mieten in Europa um ein Viertel gestiegen, in einigen Ballungsräumen wendeten die Menschen mittlerweile 70 Prozent ihres Einkommens für die Miete auf und in vielen Mitgliedsstaaten wohnten über die Hälfte der jungen Menschen noch bei ihren Eltern, weil sie sich eine eigene Wohnung nicht leisten können.
Auch der Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft wurde als eine Ursache der Krise identifiziert. Hingewiesen wurde außerdem auf die wirtschaftlichen Folgen der Wohnungskrise. So gebe es viele Unternehmen, die keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr fänden, weil die Gehälter zu niedrig sin, um die Mieten zu bezahlen. Eine sozialgerechte Wohnpolitik diene deshalb auch der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Mehrere Abgeordnete plädierten außerdem dafür, den Kampf gegen Obdachlosigkeit im EU-Wohnungsplan zu forcieren.
Im Europaparlament soll in der kommenden Legislaturperiode ein Sonderausschuss für Wohnungswesen eingerichtet werden, der den Aktionsplan der Kommission aktiv begleiten soll.
(ber)
Migration
EU-Institutionen debattieren Wiedereinführung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum
Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zahlreicher EU-Staaten im Schengenraum, darunter auch Deutschland, waren Gegenstand einer Aussprache am 7. Oktober 2024 im Europäischen Parlament
Die zuständige Kommissarin Ylva Johansson erkannte einerseits die Sicherheitsbedenken der Staaten an, warnte jedoch vor den negativen Auswirkungen auf den Schengen-Raum und die Freizügigkeit. Sie plädierte für langfristige Lösungen zur Bekämpfung der Ursachen von Migration und Kriminalität.
Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, äußerte Besorgnis. Er bezeichnete die Kontrollen zwar als notwendig, verlangte jedoch einen klaren Zeitplan für deren zeitliche BegrenzungDie europäischen Grünen betonten die Notwendigkeit, die Freizügigkeit zu wahren, während Sozialdemokraten darauf hinwiesen, dass Kontrollen den Binnenmarkt schwächen könnten. Liberale Vertreter forderten eine Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. Die rechtspopulistischen Fraktionen unterstützen die Wiedereinführung der Grenzkontrollenund betrachten diese als notwendige Sicherheitsmaßnahmen, während die Fraktion Europa der Souveränen Nationen (ESN) gar eine Rückkehr zu nationalen Grenzen fordert.
Abgeordnete aus Tschechien und den Niederlanden, warnten vor den möglichen negativen Folgen für das Schengen-System und forderten eine Rückkehr zu solidarischer Migrationspolitik. Polnische Abgeordnete kritisieren dass es von Deutschland keine Absprachen mit den Nachbarländern vor der Wiedereinführung der Grenzkontrollen gab.
Auch bei einer Sitzung der europäischen Innenminister in Luxemburg am 10. Oktober 2024 wurde über die Lage des Schengen-Raums beraten. Überlagert wurde das Treffen aber von Diskussionen über den Schutz der EU-Außengrenzen und insbesondere über die Qualität der Grenzkontrollen sowie die Zusammenarbeit mit Drittstaaten weiter verbessert werden können. Viele Delegationen wiesen darauf hin, wie wichtig es sei, angemessene Ressourcen zum Schutz der Außengrenzen und die umfassende Nutzung der EU-Informationssysteme sicherzustellen. Die Ministerrunde betonte zudem die Rolle von Frontex zur Unterstützung der Mitgliedstaaten und Drittstaaten, mit denen Abkommen unterzeichnet wurden. Dabei wurde auch ein Vorschlag zur Reform der Rückführungsrichtlinie von 2008 aufgegriffen, der bislang nicht weiterverhandelt wurde.
(fas)
Energie
Kommissionsbericht zur "Lage der Energieunion"
Am 11. September 2024 stellte die Europäische Kommission den Bericht zur "Lage der Energieunion" (engl. State of the Energy Union – Dokument noch nicht auf Deutsch verfügbar) vor, der bedeutende Fortschritte in der Energie- und Klimapolitik der EU beschreibt. Als Erfolg benennt der Bericht, dass in diesem Jahr zum ersten Mal 50 Prozent des Stromes in der gesamten EU aus erneuerbaren Quellen erzeugt wurde. Weiter stellt der Bericht fest, ohne genaue Zahlen zu nennen, dass die Energie- und Gaspreise seit dem Höhepunkt der Energiekrise 2022 gesenkt worden seien, aber immer noch auf einem hohen Niveau verharren. Die Gasimporte aus Russland sind von 45 Prozent im Jahr 2021 auf 18 Prozent der EU-Importe gesunken. Norwegen und die USA sind nun die größten Gaslieferanten der EU. Die EU-weiten Gasspeicher waren bereits am 19. August zu 90 Prozent gefüllt – deutlich vor dem Zieltermin am 1. November. Diese Speicherung findet seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine statt. Die Windenergie hat Gas als zweitgrößte Stromquelle der EU überholt, nur noch übertroffen von der Kernenergie. Seit 1990 sind die Treibhausgasemissionen der EU um 32,55 Prozent gesenkt worden, während die Wirtschaft um 67 Prozent gewachsen ist. Die Kohäsionspolitik für 2021–2027 stellt 83 Milliarden Euro für Energieprioritäten bereit. Auf internationaler Ebene spielte die EU bei der COP28 in Dubai eine führende Rolle, indem sie ein globales Versprechen zur Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien und zur Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 abgab.
Trotz der Fortschritte bleiben Herausforderungen. Kadri Simson, die scheidende EU-Kommissarin für Energie, betonte am 17. September vor dem Europäischen Parlament die Notwendigkeit einer schnelleren energiepolitischen Transformation und von mehr Anreizen für nachhaltige Netze. Die Überprüfung der nationalen Energie- und Klimapläne zeigte Lücken, die bis 2030 geschlossen werden müssen, wofür bis zu 580 Milliarden Euro an Investitionen nötig sind. Besonders in der Energieeffizienz, um den Endenergieverbrauch zu senken, der Elektrifizierung von Heizsystemen sowie der Sanierung von Gebäuden müssen Fortschritte erzielt werden. Die Abhängigkeit von russischem Gas bleibt kritisch, da fast ein Fünftel der Importe aus Russland stammt, was eine stärkere Diversifizierung erfordert.
(fas)
Verkehr
Neue Kommission und Verkehrsminister wollen europäisches Hochgeschwindigkeitsschienennetz vorantreiben
Am 19. und 20. September trafen sich die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister der EU-Mitgliedsstaaten in informeller Runde, um sich über die Digitalisierung des Verkehrssektors, ökologischen Wandel und die Funktionsfähigkeit des Bahnnetzes auszutauschen.Es soll die Entwicklung einer Strategie für ein effizientes europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz im Schienenverkehr angestrebt werden.
Bereits in dem Mission Letter des designierten EU-Kommissars Tzitzikostas für nachhaltigen Transport und Tourismus hat Kommissionspräsidentin von der Leyen den Auftrag erteilt, ein Hochgeschwindigkeitsnetz aufzubauen, welches die EU-Hauptstädte verbindet und den Schienengüterverkehr beschleunigt. Dabei soll ein Schwerpunkt auch auf Nachtzügen liegen. Gleichzeitig soll der Kommissar eine EU-Verordnung für ein einheitliches europäisches Online-Ticket-System legen und sicherstellen, dass nur noch ein einziges Ticket für grenzüberschreitende Reisen notwendig ist und auf einer Plattform erworben werden kann. Damit sollen auch die Fahrgastrechte für die gesamte Fahrt einheitlich angewendet werden.
(her)
In eigener Sache
Nominierungen für den "Mayor Pawel Adamowicz Award"
Noch bis 31. Oktober 2024 können kommunale Räte Kandidatinnen und Kandidaten für den "Mayor Pawel Adamowicz Award" nominieren, der seit 2021 jährlich vom Ausschuss der Regionen vergeben wird. Mit dem Preis werden Personen oder Institutionen ausgezeichnet, die sich besonders gegen Diskriminierung, Hate-Speech und Fremdenhass engagieren und sich für Freiheit, Solidarität und Gleichheit einsetzen.
Der Preis ist nach dem langjährigen Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz benannt, der 2019 während einer Rede auf offener Bühne von einem Attentäter ermordet wurde. Neben dem Ausschuss der Regionen wird der Preis von der Stadt Danzig und dem Internationalen Netzwerk der Städte für Zuflucht getragen. Er soll ein Zeichen der Hoffnung für alle lokalen Mandatsträgerinnen und -träger und Bürgerinnen und Bürger sein, die sich trotz Risiken für eine lebendige und weltoffene Demokratie einsetzen.
Nähere Informationen zum Preis und den Regeln für eine Nominierung sind auf der Website des Preises zu finden.
(ber)
Städtetag aktuell 4|2024
Anhang
Redaktion:
Lina Furch (verantwortlich)
Autorinnen und Autoren:
U. Fikar (fia), M. Fassbender (fas), Lukas Hermann (her), Yannik Bernardi (ber)